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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: du hättest vergessen Du dachtest
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glücklich, weil ich das gesamte Interview auf Band hatte; so konnte ich Kodes Stimme immer wieder hören, bis ich seine Worte auswendig wusste. Er hatte keinen Ring getragen und bei all seiner Redewut nichts über eine Familie gesagt. Im Telefonbuch stand hinter seinem Familiennamen nur Konsta, sonst niemand.
    Ich schraubte die Ciderflasche zu und stellte sie in den Kühlschrank. Im Moment hatte ich kein Bedürfnis, mehr zu trinken.
    Stattdessen öffnete ich die Briefe der anderen Bands und machte es mir im Sessel bequem. Beim Lesen der Antworten musste ich immer wieder lachen und wusste am Ende nicht mehr, ob ich über die witzigen Formulierungen lachte oder über die Musikwissenschaft, die im Grunde keine Erklärung dafür liefern konnte, weshalb irgendein Song einem durch Mark und Bein ging und einen zwang, im Takt zu hüpfen, selbst wenn man die ganze Welt satthatte. Ich aß eine halbe Fleischpastete, warf den Rest in den Mülleimer, schaltete den Computer ein und schrieb an meiner Magisterarbeit.
    Plötzlich merkte ich, dass mir der Rücken wehtat und dass ich entsetzlichen Durst hatte, gleichzeitig aber auch dringend auf die Toilette musste. Ich hatte fünf Stunden ununterbrochen geschrieben und fast fünfzehn Seiten zustande gebracht. Dennoch fühlte ich mich noch immer voller Energie, wie ein Katzenjunges, das seinem eigenen Schwanz nachjagt. Ich legte die Weihnachtsplatte auf und dehnte die verkrampften Schultern.
    Am Wochenende hatte ich nichts vor, ich würde also die ganze Zeit weiterschreiben können. In der kommenden Woche musste ich einen Stapel Platten besprechen, die letzten Neuerscheinungen für das Weihnachtsgeschäft. Zum Saufen hatte ich definitiv keine Zeit. In zwei Wochen fand der Auftritt statt, den Sara mir zugeschanzt hatte, gleich danach das Weihnachtskonzert der Musikschule. Dort sollte ich nur im Chor mitsingen, doch da die tieferen Stimmlagen schwach besetzt waren, wurde ich wirklich gebraucht.
    Ich duschte und stellte mich dann eine Weile auf den Balkon.
    Warum fraß und soff ich eigentlich, obwohl ich eine wunderschöne Aussicht und ein Regal voll guter Musik hatte? Dass ich das Interview mit Kode Salama trotz meines Brummschädels gemeistert hatte, war zwar toll, aber wenn ich eine zweite Chance bekam, wollte ich nicht wieder verkatert sein. Kode hatte gesagt, ich solle mich melden, wenn ich noch Fragen hätte.
    Die Gelegenheit würde ich mir nicht entgehen lassen. Ich musste mir nur ein paar intelligente Fragen einfallen lassen.

    Rane sah mich böse an, als ob er mir Vorwürfe machte, weil ich ihn vergessen und seine Unschuld noch immer nicht nachgewiesen hatte. Ich nahm das Bild von der Wand. In Gedanken sah ich stattdessen Kode Salamas fröhliches Grinsen.
    In der Nacht kam der Traum wieder, aber anders als sonst.
    Zuerst war alles wie immer, die Oper begann, doch dann hielt mir jemand eine Gitarre hin und forderte mich auf, »Sheena is a punk rocker« von den Ramones zu singen. Ich erinnerte mich nicht an die Griffe, aber ein breiter, höhnisch lachender Mund rief mir zu, ich müsse spielen. Es war der Mund von Pekka Kalmanlehto.
    »Du vergisst alles, weil du dauernd besoffen bist!«, brüllte der Mund, und nun gehörte er Karri. Ich war von boshaft lachenden Menschen umringt und wusste nicht einmal, wie man die Gitarre hielt. Jemand stieß mich von der Bühne. Ich erwachte mit dem entsetzlichen Gefühl, ins Leere zu fallen, und mit der Beklemmung, die mir …

    DREIZEHN
    Sirkka
    … überallhin folgte. Nicht einmal auf der Toilette hatte ich meine Ruhe. Das Leben mit den Kindern war nicht viel anders als die Jahre in Pielavesi unter Vaters Kontrolle, in der ständigen Angst, ihn wieder wütend zu machen. Dort hatte ich unter seiner Knute gestanden, aber bei meinen Kindern war ich die höchste Gewalt. Ich sah, wie sie zusammenzuckten und weinerlich das Gesicht verzogen, wenn ich sie anschrie. Manchmal versetzte ich ihnen einen Klaps, weil ich einfach nicht anders konnte.
    Damit hörte ich allerdings auf, als ich einmal sah, wie Kaitsu sich schon ängstlich duckte, obwohl ich ihm nur den Hemdkragen zurechtrücken wollte. Ich gab mir Mühe, daran zu denken, dass Kinder dazu da sind, geliebt zu werden, aber manchmal waren sie das einzige Ventil für meinen Hass.
    Zwei Jahre nachdem Eero uns verlassen hatte, meldete er sich aus Schweden und bot an, Unterhalt zu zahlen. Ich schrieb zurück, ich wolle nichts mehr mit ihm zu tun haben, außerdem wüsste ich nicht mit Sicherheit, ob

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