Lehtolainen, Leena
die Gedanken nicht mehr in meinem Kopf bleiben wollten. Er verstand bestimmt, warum ich mich gestern betrinken musste.
Die Klamotten, die ich am Abend getragen hatte, stanken nach Qualm, also hängte ich die Jacke zum Auslüften auf den Balkon.
Die Jeans schien über Nacht eingelaufen zu sein. Während ich mir die Haare föhnte, überlegte ich, ob ich das T-Shirt mit der Aufschrift »Salamasota« anziehen sollte. Nein, das wäre zu kindisch, der schwarze Rolli war gut genug. Abgesehen von den dunklen Schatten unter den Augen war mein Gesicht wachs-bleich. Ich schminkte mich stärker als sonst, obwohl es mir schwerfiel, gerade Linien zu ziehen. Zweimal rutschte ich mit der Wimperntusche ab und musste von vorn anfangen. Als ich endlich fertig war, schaute mich eine Fremde aus dem Spiegel an.
Der Briefschlitz klapperte: Handyrechnung, Zahlschein für die Fernsehgebühr, aber auch zwei kleine, dicke Briefe. Von den Bands Pojat und Luonteri Surf! Öffnen konnte ich sie jetzt nicht, ich musste mich ganz auf Salamasota konzentrieren. Ich packte einen kleinen Recorder und zwei Reservekassetten in meine Tasche. Da ich zu Fuß durch den Schneeregen zum Studio gehen musste, band ich die Kapuze zu und hoffte, mein Make-up würde unterwegs nicht verlaufen.
In der Sturenkatu fiel mir plötzlich ein, dass ich meinen Fragebogen zu Hause gelassen hatte. Es blieb mir nichts anderes übrig, als kehrtzumachen, denn in meiner derzeitigen Verfassung würde ich mich nicht mal an die Hälfte meiner Fragen erinnern. Ich rannte bei Rot über die Straße, nahm die Treppe zum zweiten Stock im Laufschritt und spürte, wie mir der Schweiß über Stirn und Rücken lief. Mein Vorhaben, kühl und elegant zu wirken, konnte ich endgültig vergessen.
Eine Minute nach zwölf stand ich vor Kode Salamas Studio Blitz. Ich drückte auf den Klingelknopf, und die glatte Eisentür sprang auf. Der Flur, der dahinter lag, hätte sich in jedem beliebigen Industriegebäude befinden können, meine Schritte hallten laut von den Betonwänden und Metalltreppen wider. Mir liefen Schweißperlen übers Gesicht. Ich knöpfte die Jacke auf und schob mir die Ponyfransen aus der Stirn.
Die Tür zum Studio stand offen, irgendwo summte ein Computer. Es schien mir unmöglich, einfach hineinzugehen, vor lauter Nervosität taten mir alle Glieder weh. Während ich noch unschlüssig dastand, trat aus einer Nebentür ein kleiner, breitschultriger Mann auf den Flur. Seine viereckige Brille saß schief.
»Tag! Suchst du jemanden?«
»Ja, Kode Salama. Ich bin angemeldet«, brachte ich heraus.
Der Mann hatte einen großen, breiten Mund und dichtbewimper-te Augen, die mich nachdenklich ansahen.
»Katja Tiainen!«, sagte er plötzlich. »Erinnerst du dich noch an mich? Ich bin Pekka Kalmanlehto.«
Am liebsten hätte ich abweisend den Kopf geschüttelt, obwohl ich mich natürlich an ihn erinnerte. Was hatte der im Studio Blitz zu suchen? Er lächelte, als wäre er überglücklich, mich zu sehen, und hielt mir sogar die Hand hin, die ich widerstrebend schüttelte.
»Willst du Kode deine Songs zeigen?«
»Was? Nein …«
»Du bist doch Liedermacherin. Marjukka … meine Schwester, weißt du noch … hat dich auf einer Studentenfete gehört. Du hast eine schöne Stimme, sagt sie.«
»Hör bloß auf«, gab ich peinlich berührt zurück. Ich war zweimal auf Fachschaftspartys als Sängerin in der Band der Musikstudenten eingesprungen, beide Male höllisch betrunken.
Das wenige, was mir davon in Erinnerung geblieben war, hätte ich am liebsten auch vergessen. »Ich schreibe meine Magisterarbeit in Musikwissenschaft über die Ramobands, du weißt schon, über all die finnischen Bands, die Einflüsse von Ramones aufgenommen haben. Deshalb will ich Kode Salama interviewen.«
»Wow! Ich bin Tontechniker. Wer weiß, vielleicht kann ich deine erste Platte abmischen.« Sein Lächeln musste spöttisch gemeint sein, etwas anderes konnte ich mir nicht vorstellen.
»Ich bin schon zu spät dran. Wo finde ich Kode Salama?«, fragte ich hastig, denn Pekka erinnerte mich an vieles, woran ich nicht denken wollte. Er zeigte auf eine Tür am Ende des Flurs.
Der Weg dorthin war entsetzlich lang und doch viel zu kurz.
Mit zitternder Hand klopfte ich an.
»Herein!«, rief eine bekannte Stimme.
Ich drückte die Klinke herunter und kam in einen Raum, der voller Verstärker, Aufnahmegeräte und CD-Player war. Kode Salama saß an einem breiten Schreibtisch. Im Licht der Tisch-lampe leuchtete das
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