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Leibniz war kein Butterkeks

Titel: Leibniz war kein Butterkeks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lea; Schmidt-Salomon Salomon
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zwischen Gut und Böse«, sondern »nur den zwischen Klug und Blöde«, war eine rühmliche Ausnahme in der Medienlandschaft. Die meisten Kommentatoren gefielen sich in der schicken Rolle des »Fundamentalistenverstehers«, der zwar Gewalttätigkeiten prinzipiell ablehnt, aber doch »tiefstes Verständnis« für die »verletzten religiösen Gefühle« der Gläubigen aufbringt.
    Diese duckmäuserische Haltung ging nicht nur Wiglaf Droste gegen den Strich, sondern auch dem Comiczeichner Ralf König (*1960), der mit seinen Büchern (u. a. »Der bewegte Mann« und »Kondom des Grauens«) wesentlich zur Enttabuisierung der Homosexualität beigetragen hat. König ärgerte sich, wie er in einem Interview bekannte, über »dieses Hüsteln, dieses Entschuldigen, dieses Wir-müssen-auch-malnachdenken-wie-weit-die-Pressefreiheit-bei-uns-gehen-kann« und forderte eine entschiedenere Verteidigung der demokratischen Werte. Spontan zeichnete er acht Karikaturen zum Karikaturenstreit: In einer dieser Zeichnungen präsentierte er die Modelle »Meinungsvielfalt, Pressefreiheit und Sinn für Satire« in einem »vorbildlich toleranten Burka-Outfit«. In einer anderen zeigte er die »Vertreter westlicher Werte und Toleranz«, wie sie sich auf Knien vor einem islamischen Geistlichen für ihre Meinungs- und Pressefreiheit entschuldigen, worauf dieser antwortet: »Und euer Sinn für Humor?! Wer entschuldigt sich für euren Sinn für Humor?!!«
    Dass der »Sinn für Humor« religiösen und politischen Herrschern seit Menschengedenken besonders zu schaffen macht, liegt in der subversiven Kraft des Komischen begründet. Denn es gehört zu den Grundprinzipien des Humors, Autoritäten zu untergraben . Warum ist das so? Der englische Philosoph Herbert Spencer (1820–1903) fasste das Wesen des Komischen einmal mit dem Begriff der »absteigenden Inkongruenz«. Komisch ist es nach Spencer, wenn zwei inkongruente (nicht übereinstimmende) Informationen aufeinandertreffen und dabei die eine Information die andere »absichtsvoll herunterzieht«. Je krasser dabei die Differenz zwischen Info A und Info B ausfällt, desto größer ist der komische Effekt – und aus eben diesem Grund liefert die Religion seit jeher der Satire ihre besten Pointen. Denn nirgends ist das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit, von verkündeter Wahrheit und praktiziertem Schwindel, von weltfremdem Ideal und gemeinem Alltag so offensichtlich wie im Falle der Religion. (Man denke etwa an einen Priester, der sonntags mit heiliger Inbrunst das blinde Gottvertrauen predigt, aber montags einen Blitzableiter am Kirchturm montieren lässt.)
    Dass die Verteidiger religiöser oder politischer Herrschaft mit dem satirischen Humor auf Kriegsfuß stehen, ist nicht verwunderlich: Denn nichts holt die wolkigen Ideale konsequenter auf den Boden der Tatsachen zurück, nichts entzaubert erhabene Autoritäten nachhaltiger als die satirische Attacke. Friedrich Nietzsche (1844–1900) schrieb dazu: »Nicht durch Zorn, sondern durch Lachen tötet man.« Der »Philosoph mit dem Hammer« hatte recht: Wenn es irgendetwas gibt, das die emotionalen Grundpfeiler der Knechtschaft, nämlich Angst und Demut, abtötet, so ist es das befreiende Lachen. Daher ist es kein Zufall, wie der Philosoph Peter Sloterdijk (*1947) schreibt, »dass typische Eiferer im Humor den Feind erkennen, der jeder militanten Einseitigkeit das Geschäft verdirbt«.
    Entsprechend scharf reagierten die Herrscher aller Zeiten auf die subversive Kraft des Humors, indem sie Paragrafen schufen, die »Majestätsbeleidigung« oder »Gotteslästerung« unter harte Strafen stellten. Bis heute lässt sich der Freiheitsgrad einer Gesellschaft am besten daran ermessen, welchen Spielraum Satiriker in ihr genießen. Dabei zeichnet sich eine wahrhaft »offene Gesellschaft« nicht allein dadurch aus, dass sie satirische Kritik duldet (Toleranz), sondern dadurch, dass sie einen kulturellen Nährboden schafft, in dem solche Kritik gut gedeihen kann (Akzeptanz). Der britische Komiker Rowan Atkinson (*1955), bekannt als »Mr. Bean«, brachte dies einmal schön auf den Punkt: »Das Recht zu beleidigen«, sagte er, sei »sehr viel wichtiger als das Recht, nicht beleidigt zu werden.«
    Warum dies so ist, wird klar, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die »Leitkultur« einer offenen Gesellschaft in erster Linie eine Streitkultur ist: Sie verlangt eben nicht, dass die einzelnen Gesellschaftsmitglieder das Gleiche denken, glauben, hoffen,

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