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Leibniz war kein Butterkeks

Titel: Leibniz war kein Butterkeks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lea; Schmidt-Salomon Salomon
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müssen sie tolerieren – und das ist auch gut so! Denn wer sagt uns, dass wir mit unserer Meinung im Recht sind – und nicht vielleicht doch die anderen? Nur durch den freundlich-feindlichen Widerstreit der Meinungen kann sich eine Gesellschaft weiterentwickeln. Deshalb ist kulturelle Vielfalt auch eine so wichtige soziale Ressource. Wo sie fehlt, stagniert die Kultur. Allerdings darf man nicht übersehen, dass es Haltungen gibt, die die Weiterentwicklung einer offenen Gesellschaft gefährden. Solange sie bloß Meinungen bleiben, ist das kein Problem, denn die Gedanken sind frei – auch frei zur Unvernunft ! Doch sobald aus solchen Meinungen Taten erwachsen, die im eklatanten Widerspruch zu den Menschenrechten, zur freiheitlichen Grundordnung und den auf ihr begründeten Gesetzen stehen, ist die Grenze des Tolerablen überschritten. In diesem Fall müssen wir einschreiten: Wir dürfen die Intoleranz nicht tolerieren , denn wenn wir den Feinden der Freiheit zu große Freiheiten einräumen würden, wäre es um unsere Freiheit bald geschehen.
    Okay. Das heißt also: Wir sollten nicht um jeden Preis toleranter werden, sondern müssen genau hinschauen, was wir tolerieren können und was nicht.
    Genau. Toleranz um jeden Preis wäre absurd. Um es salopp zu formulieren: Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht! Leider meinen ja einige Leute, dass es Ausdruck einer besonders aufgeklärten Sichtweise sei, wenn man alles und jeden toleriert. Doch wer so denkt, unterliegt einem Trugschluss: Er verwechselt Toleranz mit Ignoranz .
    Wieder so ein lateinisches Wort …
    Ja. Ignoranz geht auf das Substantiv »ignorantia« (»Unwissenheit, Dummheit«) zurück und bezeichnet die Unfähigkeit oder den Unwillen, bedeutsame Sachverhalte zur Kenntnis zu nehmen. Manch einer, der tolerant erscheint, ist in Wirklichkeit nur ignorant , denn er bemerkt gar nicht die Lasten, die er vielleicht zu erdulden hätte oder gegen die er sich möglicherweise wehren müsste. Echte Toleranz setzt dagegen Sachkenntnis voraus: Bevor man vernünftig entscheiden kann, ob etwas geduldet oder vielleicht sogar akzeptiert werden kann, muss man erst einmal wissen, worum es überhaupt geht. Ignoranten vermeiden die Anstrengung, sich mit den Dingen eingehender zu beschäftigen. Stattdessen verkaufen sie ihre Ignoranz als Toleranz – und das hat oft tödliche Folgen …
    Wieso?
    Der ignorant-tolerante Leitspruch »leben und leben lassen« führt leider dazu, dass viele ihr Leben lassen müssen ! Das gilt etwa im Hinblick auf die ignorante Ausblendung der schrecklichen Folgen religiöser Propaganda. So hat man beispielsweise komplett verdrängt, dass in Nigeria in den letzten zehn Jahren Tausende von Kindern als »Hexen« verfolgt, verstümmelt, verätzt, verbrannt wurden – von Christen wohlgemerkt, nicht von Muslimen, aufgehetzt durch evangelikale Prediger, deren »Missionswerke« hier in Deutschland als »gemeinnützig« anerkannt sind. Verheerend ist auch die weit verbreitete Ignoranz gegenüber den Folgen unseres Weltwirtschaftssystems, das täglich Tausende von Menschenleben vernichtet und Umweltschäden in katastrophalem Ausmaß erzeugt. Allein unsere Ignoranz macht es möglich, dass wir mitfühlenden Wesen solch fürchterliche Zustände tolerieren, statt mit aller Kraft daran zu arbeiten, sie zu beseitigen.
    Also ist der Kampf gegen die Ignoranz eine wichtige Voraussetzung für die Verbesserung der Welt?
    Ja. Wenn es uns nicht gelingt, die Mauer der Ignoranz zu durchbrechen, können wir den Traum von einer besseren Welt an den Nagel hängen.
    Hmmm … Wäre der »Traum von einer besseren Welt« nicht ein schönes Thema für unser abschließendes Gespräch morgen?
    Eigentlich wäre es eher ein Thema für ein ganzes Buch! Aber du hast schon recht: Wir sollten das Thema zumindest anreißen. Ansonsten hätten wir bei unserem Streifzug durch die Gärten der Philosophie etwas sehr Wesentliches ausgelassen …
    • • • •
    »Das Gerede vom ›Respekt vor religiösen Gefühlen‹ hat nichts mit Toleranz zu tun; es ist entweder Teil der religiösen Propaganda oder schlicht Ausdruck einer Feigheit, die sprichwörtlich geworden ist: Der Klügere gibt nach. Das hat der Dummheit noch immer zum Sieg verholfen.« Mit diesen klaren Worten meldete sich der Satiriker Wiglaf Droste (*1961) auf dem Höhepunkt des sogenannten »Karikaturenstreits« (Februar 2006) zu Wort. Droste, der den Fanatikern aller Religionen ins Merkbuch schrieb, es gebe »keinen Kampf

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