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Leibniz war kein Butterkeks

Titel: Leibniz war kein Butterkeks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lea; Schmidt-Salomon Salomon
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Welt als Indiz für das fehlende Rückgrat des »dekadenten Westens« interpretiert – und das ist ja noch nicht einmal so ganz falsch! Fakt ist doch: Der eklatante Mangel an Toleranz, den die Fundamentalisten zeigten, wurde durch unseren falschen Respekt gegenüber ihren »verletzten religiösen Gefühlen« verstärkt. Nach dieser wunderbaren Erfahrung werden sie sich künftig in ähnlichen Situationen wieder ähnlich verhalten. Aber dazu wird es wahrscheinlich gar nicht mehr kommen müssen, da sich von nun an jeder Zeichner, jeder Zeitungsredakteur, jeder Verleger zweimal überlegen wird, ob er islamkritische Karikaturen oder Satiren überhaupt noch veröffentlicht.
    Wir haben also nach dem Karikaturenstreit einen »inneren Zensor« im Kopf, der uns davon abhält, die Freiheiten zu nutzen, die uns die Verfassung garantiert?
    Genau! Wir haben aus falschem Respekt gegenüber Überzeugungen, die man als denkender Mensch gar nicht respektieren kann, ein Stück unserer eigenen Freiheit geopfert – und dadurch nicht nur uns selbst verraten, sondern auch die vielen Millionen Muslime und Nicht-Muslime, die tagtäglich den Unterdrückungsapparat der islamischen Gottesdiktaturen zu spüren bekommen. Der sogenannte »Kampf der Kulturen« verläuft ja nicht zwischen dem »islamischen Osten« und dem »christlichen Westen«, wie so oft behauptet wird. Die eigentliche Auseinandersetzung findet heute statt zwischen liberal denkenden Menschen, die es in allen Religionen und Weltanschauungen gibt, und Fundamentalisten, die leider ebenfalls in allen Religionen und Weltanschauungen zu finden sind.
    Das heißt, dass wir durch unser Einknicken im Karikaturenstreit auch den liberalen Muslimen in den Rücken gefallen sind?
    So ist es. Ich weiß von gläubigen Muslimen im Iran, die über die Mohammed-Karikaturen herzhaft gelacht, sie heimlich kopiert und – trotz der enormen Gefahr – unter Freunden verteilt haben. Statt diese liberal denkenden Menschen zu unterstützen, haben wir die reaktionären Kräfte bestärkt. Wir haben es sogar zugelassen, dass islamistische Politiker auf der Welle des Karikaturenstreits eine »Resolution für ein weltweites Verbot der öffentlichen Diffamierung von Religionen« im UN-Menschenrechtsrat durchbringen konnten. Seither können religiös begründete Menschenrechtsverletzungen, etwa die Steinigung von Frauen nach dem islamischen Gesetz der Schari’a, vor dem UN-Menschenrechtsrat (!) nicht mehr kritisiert werden, da solche Kritiken mit dem Argument der »Diffamierung der Religion« abgewehrt werden!
    Kaum zu glauben …
    … und doch leider wahr! Hier zeigt sich, wo das Prinzip der Toleranz zu weit geht , wo wir auf keinen Fall auch nur einen Hauch von Duldsamkeit zeigen sollten: Es sollte absolut klar sein, dass Menschenrechtsverletzungen prinzipiell nicht zu tolerieren sind und dass es dabei gleichgültig ist, ob solche Verstöße gegen die Menschlichkeit religiös begründet werden oder nicht ! Wir dürfen es nicht hinnehmen, dass sich die Religionen in irgendeiner Weise über das Gesetz stellen. Auch die Vertreter »heiliger Werte« müssen sich dem Menschenrechtskanon unterwerfen. Tun sie es nicht, müssen wir sie stoppen!
    Es gibt also Grenzen der Toleranz.
    Selbstverständlich! »Grenzenlose Toleranz« wäre ja auch ein Widerspruch in sich! Das zeigt nicht zuletzt der Gebrauch des Begriffs »Toleranz« in der Ingenieurssprache: Techniker definieren »Toleranz« als »zulässige Abweichung vom Nennmaß«. Toleranz bezeichnet also den Freiheitsspielraum , innerhalb dessen eine Abweichung vom Normzustand unproblematisch ist. Nehmen wir an, der Normwert eines Rädchens in einem technischen System beträgt 10,5 cm, wobei über dem oberen Grenzwert von 10,7 cm ebenso Probleme entstehen wie unter dem unteren Grenzwert von 10,3 cm. Die Toleranz für das Rädchen in diesem System liegt also bei 4 mm. Im Grunde ist das bei sozialen Systemen gar nicht viel anders: Auch hier gibt es einen Rahmen, der definiert, was toleriert werden kann und was eben nicht.
    Allerdings unterscheiden sich die verschiedenen Gesellschaften sehr stark darin, wie weit dieser Rahmen gesteckt ist, oder?
    Natürlich! In faschistoiden Systemen wie der iranischen Gottesdiktatur ist der Rahmen des Erlaubten sehr viel enger bemessen als in freiheitlichen Demokratien wie der unsrigen. Deshalb gibt es bei uns auch so viele unterschiedliche Meinungen. Einige dieser Meinungen können wir als Individuen nicht akzeptieren , aber wir

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