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Leibniz war kein Butterkeks

Titel: Leibniz war kein Butterkeks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lea; Schmidt-Salomon Salomon
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sind. Würde ich ihre Vorstellungen aus der Angst heraus, dass sie beleidigt sein könnten, nicht kritisieren, so würde ich sie wie kleine Kinder behandeln, von denen man denkt, dass man ihnen die »volle Wahrheit« nicht zumuten könne. Respektvoll ist das ganz sicher nicht! Im Gegenteil: Ein respektvoller Umgang mit Menschen verlangt, dass man ihnen reinen Wein einschenkt und deutlich macht, womit man nicht einverstanden ist.
    Du meinst also, dass es Ausdruck deines Respekts vor dem Gläubigen als Mitmenschen ist, dass du seine Glaubensüberzeugungen lächerlich machst?
    Meine Religionskritik ist, auch wenn das seltsam klingen mag, tatsächlich ein Ausdruck meines Respekts für den Gläubigen als Mitmenschen. Allerdings mache ich den Glauben nicht lächerlich, ich verdeutliche nur, auf welche Absurditäten er in letzter Konsequenz hinausläuft. Dass das manchmal komisch wirkt, liegt nicht an mir, sondern an den Glaubensüberzeugungen selbst.
    Na, das werden viele Gläubige sicher anders sehen! Was du als »komisch« erachtest, ist für sie »todernst« und »heilig« …
    Das ist wahr. Bedauerlicherweise leiden gerade tiefgläubige Menschen häufig unter einer schweren Humorallergie. Deshalb reagieren sie auch so gereizt, wenn man die unfreiwillige Komik ihrer Glaubensvorstellungen aufdeckt. Welch dramatische Folgen das haben kann, zeigte vor wenigen Jahren die Veröffentlichung der sogenannten »Mohammed-Karikaturen« in der dänischen Zeitung Jyllands-Posten , die dazu führte, dass fanatische Muslime weltweit Amok liefen. Im Zuge des »Karikaturenstreits« wurden allein im Februar 2006 139 Menschen getötet und 823 verletzt. Die religiösen Attentäter fühlten sich dabei sogar absolut im Recht und wurden in diesem blutigen Wahn von maßgeblichen Vertretern der westlichen Gesellschaften leider indirekt unterstützt: Zwar betonten die meisten westlichen Politiker und Kommentatoren den hohen Wert der Meinungs- und Pressefreiheit, drückten aber zugleich ihr Bedauern darüber aus, dass die Karikaturisten die »religiösen Gefühle« der Gläubigen in solch »geschmackloser Weise« verletzt hätten. Ich empfand das als einen echten Skandal, gegen den ich mich mit deutlichen Worten zur Wehr setzte.
    Wie hätte der Westen denn sonst auf die wütenden Proteste reagieren sollen?
    Man hätte sich mit den Karikaturisten unbedingt solidarisieren müssen, statt sich feige von ihnen abzugrenzen und sie dadurch noch mehr in Gefahr zu bringen. Man hätte klarmachen müssen, dass die gewalttätigen Proteste der Islamisten bewiesen haben, wie wahr und auch wie notwendig diese Karikaturen waren, die ja gerade den Zusammenhang von fundamentalistischem Islam und Gewalt zum Thema hatten. Und vor allem hätte man Tag für Tag neue Karikaturen veröffentlichen müssen – und zwar so lange, bis auch der allerletzte islamische Fundamentalist erkannt hätte, dass sich offene Gesellschaften nicht durch militante Aktionen erpressen lassen!
    Ist das dein Ernst?
    Ja, schließlich hätte das nicht nur einen politischen, sondern auch einen therapeutischen Effekt gehabt: Die religiöse Humorphobie lässt sich nämlich – wie jede andere Angststörung – nur durch die gezielte Konfrontation mit dem aversiven Reiz kurieren. Wer Angst hat, in den Keller zu gehen, weil dort eklige Spinnen auf ihn lauern, kann sich von dieser Phobie nur befreien, wenn er im Rahmen einer Konfrontationstherapie lernt, dass Spinnen in Wirklichkeit gar nicht so schlimm sind. Genauso müssen Menschen, die meinen, durch eine Karikatur tödlich verletzt zu werden, so lange mit Karikaturen konfrontiert werden, bis sie begreifen, dass es sehr wohl möglich ist, solche Zeichnungen zu ertragen, ohne verrückt zu werden. Selbstverständlich müssen Gläubige satirische Zeichnungen, in denen ihr Glaube karikiert wird, nicht gutheißen , nicht akzeptieren , aber sie sollten doch lernen, sie zu tolerieren , zu erdulden . Das ist eine wichtige Lektion in Sachen Zivilisation , die man religiösen Fundamentalisten – gerade wenn man sie als Mitmenschen respektiert – nicht vorenthalten sollte.
    Aber hätte eine solche Haltung nicht zu einer weiteren Eskalation des Karikaturenstreits geführt?
    Möglicherweise hätten sich am Anfang die aggressiven Symptome der Humorphobie verschärft, aber auf Dauer wären die Folgen weniger schädlich gewesen als die Konsequenzen, die das feige Einknicken des Westens letztlich nach sich zog. Denn dieses Einknicken wurde in der islamischen

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