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Leibniz war kein Butterkeks

Titel: Leibniz war kein Butterkeks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lea; Schmidt-Salomon Salomon
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sondern sie zieht ihre Kraft gerade daraus, dass sie ein soziales Spielfeld ermöglicht, auf dem die unterschiedlichen Standpunkte aufeinanderprallen können. Denn erst durch diesen freien, produktiven Widerstreit der Meinungen kann sich eine Gesellschaft weiterentwickeln. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die einzelnen Gesellschaftsmitglieder den zivilisierten Umgang mit »weltanschaulichen Verletzungen« erlernt haben, was für Vertreter »höherer, religiöser Wahrheiten« eine besonders schwere Übung zu sein scheint.
    Dies zeigt sich nicht zuletzt in dem immer wieder unternommenen Versuch, »verletzbare religiöse Gefühle« unter »Denkmalschutz« zu stellen. Hinter dem Scheinargument des »religiösen Beleidigtseins« verbirgt sich eine Strategie, die der Philosoph Hans Albert (*1921) treffend als »Immunisierung gegen Kritik« beschrieben hat. Wie Albert zeigte, neigt gerade derjenige, der »Angst vor der Aufdeckung von Irrtümern« hat, dazu, sich der Kritik zu entziehen, indem er irrtumsbehaftete menschliche Aussagen als »heilig«, »unfehlbar«, »unantastbar« ausweist.
    Diese dogmatische Strategie hat, wie wir wissen, in der Menschheitsgeschichte enormes Leid verursacht – und sie ist auch heute noch für viele schreckliche Verbrechen verantwortlich. Anstatt weiter nach der inquisitorischen Maxime »Du wirst dran glauben – oder du wirst dran glauben!« zu verfahren, sollten wir daher lernen, Kritik als Geschenk zu begreifen. Denn nur so werden wir in die Lage versetzt, falsche Ideen sterben zu lassen , bevor Menschen (wie im Karikaturenstreit) für falsche Ideen sterben müssen …
    • • • •

Eine bessere Welt ist möglich …
    Wir wollen ja heute in unserem letzten Gespräch über den »Traum von einer besseren Welt« sprechen. Was denkst du denn: Handelt es sich dabei wirklich nur um einen »Traum« oder ist eine bessere, eine gerechtere Welt tatsächlich möglich?
    Ich bin überzeugt, dass eine »bessere Welt« nicht nur nötig , sondern auch möglich ist. Würde ich nicht daran glauben, dass wir die Lebensverhältnisse nachhaltig verbessern können, wäre ich kein Humanist, sondern ein Zyniker.
    Ein Zyniker ist also jemand, der meint, dass man die Welt entweder nicht verbessern muss oder dass man sie gar nicht verbessern kann?
    Ja, im ersten Fall resultiert der Zynismus aus einem Mangel an Empathie, im zweiten Fall aus einem Mangel an Phantasie.
    Weil man sich nicht vorstellen kann, wie eine bessere Welt aussehen könnte?
    Genau. Viele Menschen starten zwar mit hohen Idealen in ihr Erwachsenenleben, doch schon bald resignieren sie und finden sich mit der »Schlechtigkeit der Welt« ab, zu der sie sich überhaupt keine tragfähigen Alternativen ausmalen können. Diese Denkhaltung ist ja auch ziemlich bequem: Denn wenn man meint, dass es sowieso keine Chancen gibt, irgendetwas an den globalen Missständen zu ändern, hat man die beste Entschuldigung dafür, dass man nichts unternimmt, um sie zu ändern! So kann man es sich recht behaglich in der eigenen Hilflosigkeit einrichten …
    Vor Kurzem habe ich in deiner Bibliothek ein Buch mit dem Titel »Hurra, wir kapitulieren!« entdeckt. Ist das die Denkhaltung, die du kritisierst?
    Ja. Henryk M. Broder hat in dem Buch, von dem du sprichst, die Kapitulation westlicher Gesellschaften vor freiheitsfeindlichen Versionen des Islam angegriffen. Ich stimme Broder zwar nicht in allen, aber doch in vielen Punkten zu. Fatalerweise zeigt sich die »Lust am Einknicken« nicht nur in unserem Umgang mit rückständigen religiösen Vorstellungen, sondern auch auf anderen Problemfeldern, etwa in Bezug auf den Welthunger oder die ökologischen Folgen der Weltwirtschaft. Wir sind zu »fröhlichen Bankrotteuren« geworden, die es vorziehen, vorschnell aufzugeben, bevor sie sich irgendeiner größeren Herausforderung ernsthaft stellen müssen. Friedrich Nietzsche hätte diesen »Willen zur Ohnmacht« als untrügliches Zeichen der Dekadenz beschrieben.
    Das Wort »Dekadenz« wird ja heute von Politikern häufiger benutzt. Mir ist allerdings nicht ganz klar, was es bedeutet …
    Der Begriff ist aus dem lateinischen Wort »decadentia« abgeleitet und bezeichnet den Verfall oder Niedergang einer Gesellschaft oder Kultur. Er wurde in der Geschichtsschreibung zunächst für den Untergang des römischen Imperiums verwendet. Den kulturellen Verfall, der damit einherging, kann man an der Geschichte deiner Geburtsstadt, Trier, gut demonstrieren: Im

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