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Leibniz war kein Butterkeks

Titel: Leibniz war kein Butterkeks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lea; Schmidt-Salomon Salomon
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»Leihgebühr« für ihre menschlichen Körper.
    Überzeugt davon, dass sich in unmittelbarer Nähe des Kometen Hale-Bopp ein Raumschiff voller Außerirdischer befand, hatten sie einen tödlichen Trunk, bestehend aus Betäubungsmitteln, Apfelsaft und Wodka, zu sich genommen, mit dessen Hilfe sie ihre »irdischen Container« verlassen wollten. Auf diese Weise glaubten sie, mit ihren »Ufonen-Seelen« an Bord des intergalaktischen Raumschiffs zu gelangen und der Zeit des »Spatenstichs« zu entgehen, in dem der »Garten« Erde vollständig umgegraben und alle überflüssigen »Menschenpflanzen« vernichtet würden.
    Drei Jahre vor dem kollektiven Suizid der Heaven’s Gate -Gläubigen fand man in der Schweiz die Leichen von 53 Mitgliedern des Sonnentempler-Ordens um den »Großmeister« Joseph Di Mambro (1924–1994), die ebenfalls dem vermeintlich bevorstehenden Weltuntergang zu entgehen hofften. Im Unterschied zu Applewhite & Co. meinten sie, nach ihrem kollektiven Tod als »christusähnliche Sonnenwesen« im System des Sirius wiedergeboren zu werden und dort eine »neue Menschheit« begründen zu können.
    So bizarr uns derartige Weltuntergangssekten erscheinen mögen: Man sollte nicht vergessen, dass auch das Christentum anfangs in Gestalt einer radikalen Weltuntergangssekte auftrat. Die christliche Urgemeinde war nämlich vom baldigen Ende der Welt nicht weniger überzeugt als die Sonnentempler. Schließlich hatte Jesus von Nazareth (4 v. u. Z.–30 n. u. Z.) im ältesten der vier Evangelien (Markusevangelium, Vers 9,1) verkündet: »Wahrlich, ich sage euch: Es stehen einige hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis sie sehen das Reich Gottes kommen mit Kraft.« Und so war sein Auftrag an die Jünger eindeutig: »Gehet hin und verkündet: Das Himmelreich ist nahe!« Offensichtlich jedoch irrte sich Jesus mit dieser »Naherwartung« des Weltenendes ebenso wie Marshall Applewhite 2000 Jahre später. Das mit Spannung erwartete »Jüngste Gericht« wollte partout nicht eintreffen, was in der frühchristlichen Gemeinde für ziemliche Verwirrung sorgte.
    Auf diese Irritation reagierte der sogenannte »2. Petrusbrief«, eine der jüngsten Schriften des Neuen Testaments. (Der Name des Briefs ist irreführend, denn er stammt nicht von dem gleichnamigen Apostel, sondern wurde erst im späten 2. Jahrhundert verfasst.) Im Petrusbrief heißt es: »Sie werden sich über euch lustig machen und sagen: Er hat doch versprochen wiederzukommen! Wo bleibt er denn? Inzwischen sind unsere Väter gestorben, aber alles ist noch so, wie es seit Beginn der Welt war … Meine Freunde, ihr dürft eines nicht übersehen: Beim Herrn gilt ein anderes Zeitmaß als bei den Menschen. Ein Tag ist für ihn wie tausend Jahre, und tausend Jahre sind ein Tag.«
    Die Argumentation des »Petrusbriefs« war zweifellos geschickt: Denn zum einen trat er der naheliegenden Mutmaßung entgegen, dass es sich beim »Jüngsten Gericht« bloß um ein »altes Gerücht« handele, dem man keinen Glauben schenken müsse. Zum anderen befreite er die christliche Gemeinde von dem Druck, sich bezüglich der Datierung des Weltenendes genau festlegen zu müssen. Andere »Nachfolger Christi« waren da nicht ganz so gewieft: So glaubte der evangelische Theologe und Mathematiker Michael Stifel (1487–1567), ein enger Freund des Reformators Martin Luther (1483–1546), mithilfe der Bibel berechnen zu können, dass die Welt am 19. Oktober 1533 – und zwar exakt um 8 Uhr morgens – untergehen werde. Als der prophezeite Weltuntergang zur Verwunderung aller doch nicht eintraf, wurde Stifel von den Bürgern der Gemeinde Lochau, die er mit seinen apokalyptischen Predigten in Angst und Schrecken versetzt hatte, mit einer ordentlichen Tracht Prügel und vier Wochen Gefängnis belohnt. Danach verspürte Stifel keine große Lust mehr, Weltuntergangsberechnungen durchzuführen.
    Die Zeugen Jehovas ließen sich durch derartige Rückschläge nicht entmutigen: Der Bibelforscher Charles Russell (1852–1916), auf dessen Werk die christliche Religionsgemeinschaft mit ihren etwa 7 Millionen Mitgliedern zurückgreift, berechnete das Jahr 1914 als den Zeitpunkt, an dem »die letzten Tage« beginnen sollten, in denen Gott seine Engel in die Schlacht gegen die Widersacher des Glaubens führt. Nachdem sich der Allmächtige allerdings 1914 nicht auf Erden blicken ließ, wurde der Termin auf 1925 verschoben, was sich ebenfalls als Irrtum herausstellte. Danach hofften die Zeugen Jehovas

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