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Leibniz war kein Butterkeks

Titel: Leibniz war kein Butterkeks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lea; Schmidt-Salomon Salomon
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Vorstellung davon bekommen, was du unter »Vergänglichkeit« verstehst. Die Frage, die sich uns stellt, ist also nicht, ob wir uns damit abfinden müssen , dass alles vergänglich ist, sondern vielmehr, wie wir uns damit abfinden können .
    Richtig. Aus der Erkenntnis, dass all unsere Versuche, Dauerhaftes zu erschaffen, letztlich scheitern werden, kann man verschiedene Schlüsse ziehen. Beispielsweise könnte man daraus einen radikalen »philosophischen Nihilismus« ableiten. Ein radikaler Nihilist hält alles für »null und nichtig« und streitet ab, dass menschliche Anstrengungen (welcher Art auch immer!) irgendeinen Sinn haben können. Die Haltung, die dahintersteht, könnte man so charakterisieren: »Warum, um alles in der Welt, sollten wir uns plagen, eine halbwegs anständige Existenz zu führen, wenn letzten Endes doch ohnehin alles für die Katz ist!«
    Das klingt nach einer Lebenseinstellung für Depressive, die sich fragen, warum sie morgens das Bett machen sollen, wenn sie sich abends sowieso wieder reinlegen.
    Ja, das wäre die depressive, selbstzerstörerische Konsequenz eines solchen Nihilismus. Er kann aber auch aggressiv nach außen gewendet werden, um einen grenzenlosen Egoismus zu legitimieren nach dem Motto: »Warum soll ich mich um andere kümmern? Es geht doch sowieso letztlich alles den Bach hinunter! Hauptsache, ich habe jetzt meinen Spaß – und nach mir die Sintflut beziehungsweise der entropische Kältetod!«
    Auch das wirkt nicht besonders anziehend, oder? Welche Konsequenz würdest du denn aus der absoluten Vergänglichkeit ziehen?
    Nun, mein Vorschlag wäre, dass wir zunächst einmal unsere Ansprüche auf Sinn ein wenig herunterschrauben. Denn wird etwas wirklich sinnlos dadurch, dass es nicht ewig währt? Bestimmt nicht! Ein gutes Essen verliert doch nicht dadurch seinen Wert, dass es am Ende ebenso ausgeschieden wird wie ein lieblos auf den Teller geschüttetes Dosen-Ravioli! Und dass die Menschheit irgendwann einmal vollständig ausgelöscht sein wird, das ermächtigt mich doch ganz gewiss nicht dazu, jetzt die Interessen meiner Mitmenschen zu übergehen. Es gibt einfach Dinge, die für uns im Augenblick gut und wichtig sind, und sie werden nicht dadurch entwertet, dass sie uns irgendwann einmal abhandenkommen werden. Im Gegenteil: Sie gewinnen gerade dadurch an Wert, dass wir wissen, dass sie vergänglich sind.
    Womit wir wieder bei Epikur sind: Carpe diem!
    Genau. Weil wir vergänglich sind, weil alles vergänglich ist, was wir lieben, sollten wir dankbar sein für das, was wir haben und was wir sind.
    Das lässt sich natürlich leicht sagen, wenn es einem so gut geht wie dir! Du bist gesund, hast ein Dach über dem Kopf, genug zu essen und zu trinken, einen Beruf, der dich erfüllt, und Menschen um dich herum, die dich lieben. Was aber, wenn du das alles nicht hättest, wenn du arm und krank wärst, wenn niemand da wäre, der dich einmal in den Arm nimmt?
    Gut, dass du das ansprichst! Einige dieser Missstände ließen sich unter idealen Verhältnissen sicher aus dem Weg räumen, aber todbringende Krankheiten wird es immer geben. Und in diesem Zusammenhang zeigt sich, dass unsere Vergänglichkeit nicht nur eine schmerzliche , sondern durchaus auch eine tröstliche Seite hat. Denn mancher Sterbenskranke wünscht sich sein Ende sehnlichst herbei. Die Gewissheit des Todes bedeutet also nicht nur, dass wir Abschied nehmen müssen von den angenehmen Dingen des Lebens, sondern auch, dass wir Abschied nehmen können von all den Leiden, die wir nicht mehr ertragen wollen.
    Unsere Vergänglichkeit hat also auch eine positive Seite?
    Ganz eindeutig! Diese positive Seite zeigt sich vor allem im letzten Abschnitt unseres Lebens. Die Natur hat es ja leider nicht so eingerichtet, dass Sterben ein besonders angenehmer Prozess ist. Da ist es tröstlich, wenn man weiß, dass auch das vorübergehen wird – wie alles vorübergeht, was uns in unserem Leben widerfährt.
    • • • •
    »Dies ist die letzte Chance, den Planeten Erde zu evakuieren, bevor er recycelt wird!« Mit dieser Botschaft wandte sich der Führer der »Ufo-Sekte« Heaven’s Gate , Marshall Applewhite (1931–1997), im September 1996 an die Öffentlichkeit. Wenige Monate später, am 26. März 1997, wurden die Leichen von 39 Heaven’s Gate -Anhängern in einer kalifornischen Villa gefunden. Sie waren allesamt schwarz gekleidet, trugen neue Nike-Turnschuhe und hatten in ihren Hosentaschen etwas Kleingeld verstaut – die

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