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Leibniz war kein Butterkeks

Titel: Leibniz war kein Butterkeks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lea; Schmidt-Salomon Salomon
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Allerdings möchte ich hier keineswegs alles auf die genetische Ausstattung schieben, denn die Umwelt, auf die ein Mensch in seinem Leben trifft, hat eine mindestens ebenso große Bedeutung! Wenn eine Person die Erfahrung gemacht hat, dass sich Anstrengungen lohnen, wird sie höhere Leistungsbereitschaft zeigen, als wenn sie stets frustrierende Erfahrungen machen musste, also von Anfang an lernte, dass sich Anstrengungen gar nicht auszahlen.
    Du willst also sagen, dass die Entscheidung, ob ich jetzt hart für eine Arbeit lerne oder stattdessen doch lieber auf eine Party gehe, von meinen Genen und meinen Lernerfahrungen abhängt? Aber wo bleibt denn da mein »freier Wille«?! Schließlich bin ich es doch, die diese Entscheidung trifft, oder etwa nicht?
    Was verstehst du denn unter einem »freien Willen«?
    Boah, das ist schwierig! Ich weiß nicht so recht, wie ich das ausdrücken soll …
    Nun, vielleicht kannst du ja sagen, wovon der Wille frei sein soll, um als »freier Wille« durchgehen zu können.
    Wovon der freie Wille frei sein soll? Na, von irgendwelchen Ursachen, die ihn bestimmen.
    Soweit wir sehen, ist doch jedes Phänomen im Universum auf natürliche Ursachen zurückzuführen. Sollten wir jemals eine Wirkung im Kosmos beobachten, die ohne natürliche Ursachen auskommt, so müssten wir sie als »Wunder« bezeichnen, also als etwas, bei dem es offensichtlich nicht mit »rechten Dingen« zugeht. Dergleichen haben wir aber im Universum nicht feststellen können! Und das macht deine Definition des »freien Willens« zumindest etwas »exotisch«: Willst du wirklich behaupten, dass jede »freie Willensentscheidung« ein »unerklärliches Wunder« ist, also eine »Wirkung ohne natürliche Ursachen«?
    Nein. Wenn ich mir das so recht überlege, muss ich meine Definition des »freien Willens« wohl etwas abändern. Hmmm … Was hältst du denn davon? Ein Wille ist dann »frei«, wenn er von nichts anderem als vom eigenen Selbst bestimmt ist.
    Das klingt gut. Aber diese Definition führt natürlich zu einem anderen Problem: Denn nun müssen wir uns ja fragen, wovon dieses »eigene Selbst« bestimmt ist. Oder ist dieses »Selbst« das »unerklärliche Wunder«, welches losgelöst von allen natürlichen Ursachen existiert?
    Nein. Wenn ich das behaupten würde, so würdest du sicher sagen, dass unser Selbst ein Produkt von genetischer Veranlagung und Lernerfahrungen ist, oder?
    Richtig, denn losgelöst von genetischer Veranlagung und Lernerfahrung gibt es kein Selbst! Es ist sogar fraglich, ob es überhaupt ein Selbst gibt – in dem Sinne, wie es andere Dinge gibt, von deren Existenz wir überzeugt sind.
    Was meinst du denn damit?
    Nun, ein »Selbst« ist kein Ding, das man irgendwo exakt verorten könnte wie beispielsweise eine Hand oder einen Fuß. Es existiert nicht in der Welt , sondern bloß im virtuellen Kosmos unseres Bewusstseins! Wir haben zwar das Gefühl, dass »unser Selbst« die Entscheidungen in unserem Leben trifft und dass es dabei auch nach Belieben über unser Gehirn verfügen kann. Doch in Wirklichkeit ist es genau umgekehrt: Das Selbst ist eine Konstruktion des Gehirns, eine Simulation, mit der wir uns in der Welt zurechtfinden können; es existiert aber im eigentlichen Sinne gar nicht. Das, was wir unser »Ich« nennen, ist bei genauerer Betrachtung nur eine virtuelle Figur in einem virtuellen Theaterstück, das von einem blumenkohlförmigen Organ in unserem Kopf inszeniert wird.
    So, nun hast du es endlich geschafft: Jetzt raffe ich gar nichts mehr! Wie kannst du denn behaupten, dass das »Ich« eigentlich gar nicht existiert? Wenn es irgendetwas gibt, dessen ich mir absolut sicher bin, dann doch, dass ich »ich« bin und dass ich meine eigenen Entscheidungen treffe – und nicht so ein komisches Teil in meinem Kopf!
    Ich verstehe, dass dir diese Vorstellung schwerfällt – und damit stehst du ganz gewiss nicht alleine da! Das grundlegende Problem beim Rätsel »Ich-Bewusstsein« ist ja, dass das Gehirn eine sehr überzeugende innere Realität herstellt, die wir normalerweise gar nicht als Simulation erkennen können, da wir selbst ein Teil dieser Simulation sind.
    Na, wenn wir diese Simulation als solche gar nicht erkennen können, woher wissen wir dann überhaupt, dass es sich um eine Simulation handelt?
    Zu dieser Erkenntnis gelangten wir, als wir begannen, Gehirnen von außen bei ihrer Arbeit zuzusehen. Zwar sind wir noch immer weit davon entfernt, das Gehirn als Ganzes zu verstehen, dennoch

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