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Leibniz war kein Butterkeks

Titel: Leibniz war kein Butterkeks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lea; Schmidt-Salomon Salomon
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hat die Hirnforschung in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte erzielt. Dank dieser Forschung kann heute kein vernünftiger Zweifel mehr daran bestehen, dass das »Ich« von den Vorgängen im Gehirn erzeugt und gesteuert wird. Das, was uns als Personen auszeichnet, was wir denken, wie wir empfinden, wird bestimmt von neuronalen Prozessen, die unter unserer Schädeldecke ablaufen, ohne dass wir dies wahrnehmen könnten – es sei denn, wir haben die Gelegenheit, einem Gehirn dabei zuzuschauen, wie es seine Arbeit erledigt. Dazu gibt es mittlerweile zahlreiche faszinierende Forschungsergebnisse. Besonders beeindruckend fand ich den Fall der »unglaublich lachenden Mrs. K.«, über den Antonio Damasio in seinem Buch »Der Spinoza-Effekt« berichtete. Habe ich dir schon mal davon erzählt?
    Ich kann mich erinnern, dass wir mal einen Film über die »unglaublich schrumpfende Mrs. K.« gesehen haben, aber von einer »unglaublich lachenden Mrs. K.« habe ich bislang noch nichts gehört …
    Bei der »unglaublich lachenden Mrs. K.« handelt es sich nicht um Science-Fiction, sondern um einen realen Fall aus der neurologischen Praxis: Diese Frau K. musste vor einigen Jahren aufgrund neurologischer Probleme untersucht werden. Um herauszufinden, wie man ihr helfen könnte, stimulierten die Ärzte mit leichten Elektroimpulsen eine Region des linken Frontallappens ihres Gehirns. Daraufhin brach Frau K. in ein herzhaftes Gelächter aus, das so echt war, dass es die Ärzte ansteckte. Beendeten die Ärzte die Stimulation der Hirnregion, so endete auch das Lachen, begannen sie von Neuem, so schlug sich Frau K. wieder vor Lachen auf die Schenkel.
    Abgedreht!
    Das Beste kommt noch: Obwohl der Zusammenhang zwischen der elektrischen Stimulation des Gehirns und dem Lachen eindeutig war, gab Frau K. ganz andere Gründe an, warum sie so herzhaft lachen musste. Ihr erschien nämlich immer das als umwerfend komisch, worauf sie sich in dem Moment, in dem ihr Hirn gereizt wurde, zufälligerweise konzentrierte. Zeigte man ihr das Bild eines Pferdes, lachte sie über das Pferd. Schaute sie zufällig auf ihre Ärzte, mussten die als Grund für ihre übersprudelnde Heiterkeit herhalten. So antwortete Frau K. einmal auf die Frage, warum sie sich mal wieder vor Lachen schüttelte: »Oh, Leute, ihr seid einfach zu komisch … wie ihr da so herumsteht.«
    Ist ja verrückt! Aber diese Frau K. hätte doch eigentlich wissen müssen, dass sie nur deshalb lacht, weil die Ärzte an ihrem Hirn herumdoktern!
    Von außen betrachtet, also aus der Perspektive von Menschen, die auf das Gehirn von Frau K. schauen, wäre das selbstverständlich. Aber in der inneren Realität, die K.s Gehirn erschuf, sah das ganz anders aus. Dein Gehirn teilt dir ja auch nicht mit, dass du glücklich bist, weil Hirnregion X aktiviert ist, oder dass du unglücklich bist, weil nun die Neuronen der Region Y vermehrt feuern. Es verbirgt vielmehr diese internen Prozesse vollständig vor deinem Bewusstsein und erzeugt stattdessen subjektive Erlebnisqualitäten, die vor dem Hintergrund deiner Lebenserfahrungen Sinn ergeben. Hätte man dein Hirn in ähnlicher Weise gereizt wie das von Frau K., so hättest auch du dich vor Lachen gebogen. Und du wärst ebenso überzeugt davon gewesen, dass du dich nur deshalb so königlich amüsierst, weil deine Ärzte so unglaublich komisch aussehen. Dass dein Gelächter in Wahrheit nur auf die elektrische Reizung deines linken Frontallappens zurückzuführen ist, hättest du subjektiv nicht empfinden können, da dein Gehirn eine innere Realität simuliert, in der es selbst gar nicht vorkommt.
    Mannomann, das ist echt schräg – und irgendwie auch erschreckend!
    Warum?
    Weil es so klingt, als ob wir bloß Marionetten unserer Gehirne wären! Heißt das am Ende, dass nicht ich mich entscheide, ob ich lerne oder auf eine Party gehe, sondern dass diese Entscheidung von dem Teil in meinem Kopf getroffen wird?
    Na ja, so würde ich es nicht ausdrücken, schließlich gibt es keinen Widerspruch zwischen deinem Ich und deinem Gehirn. Korrekterweise müsste man es so formulieren: Du triffst diese Entscheidung, weil dein Gehirn als zentrale Steuereinheit deines Körpers diese Entscheidung trifft.
    Na toll!
    Was stört dich daran?
    Vielleicht würde ich ja gerne mal eine Entscheidung treffen, die nicht von meinem Gehirn bestimmt ist!
    Was hättest du denn davon? Was würde es dir bringen, wenn du tatsächlich »hirnunabhängige« Entscheidungen treffen

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