Leibniz war kein Butterkeks
ganzer Linie scheiterst, oder?
Nein. Natürlich bin ich nicht zufrieden, wenn ich irgendetwas nicht erreicht habe, was ich unbedingt erreichen wollte. Aber: Im Unterschied zu früher, als ich noch anders dachte, verurteile ich mich nicht mehr dafür, dass ich gescheitert bin, denn ich weiß ja, dass ich in der maßgeblichen Situation gar nicht besser sein konnte, als ich es war! Ich kann mir meine eigenen Fehler besser vergeben, da ich davon ausgehe, dass es überhaupt nicht in meiner Macht lag, die Fehler, die ich begangen habe, nicht zu begehen . Diese Erkenntnis bedeutet eine enorme psychische Entlastung: Man wird entspannter, wenn man sein eigenes Selbst nicht mehr ganz so tödlich ernst nimmt.
Du warst also früher nicht so entspannt wie heute?
Oh nein! Ich habe mir oft schreckliche Sorgen gemacht, wie dies oder jenes bei anderen ankommen würde. Und ich empfand es immer wieder als hochnotpeinlich, wenn sich herausstellte, dass ich in irgendeiner Weise versagt hatte. Das ist heute anders: Seit mir klar geworden ist, dass ich nur der sein kann , der ich aufgrund meiner Lebensgeschichte sein muss , habe ich Frieden mit mir selbst geschlossen. Wenn du so willst, ist das zu meiner persönlichen »Wohlfühlformel« geworden: Wer von seinem Selbst lassen kann, entwickelt ein gelasseneres Selbst!
Das klingt logisch. Wenn man also zu sehr an seinem Selbst hängt, erreicht man wahrscheinlich genau das Gegenteil, nicht wahr?
So ist es: Wer die Welt sehr »selbstisch« wahrnimmt, also penibel danach schaut, ob seinem »ach so tollen Ich« genau die Aufmerksamkeit zukommt, die ihm angeblich gebührt, setzt sich einem permanenten Psychostress aus. Schließlich muss er sich und den anderen immer wieder beweisen, was für ein »toller Hecht« er ist. Das geht aber nur in den allerseltensten Fällen gut. Denn jeder von uns muss hin und wieder Niederlagen einstecken. Und wer sich selbst zu wichtig nimmt, kann damit schlecht umgehen.
Wenn man dich so reden hört, könnte man meinen, du wärst so ein »Schluffi«, der sich total gelassen durchs Leben treiben lässt. In Wirklichkeit aber bist du permanent mit irgendwelchen Projekten beschäftigt. Ich kann mich an kaum einen Tag erinnern, an dem du nicht irgendwie gearbeitet hättest. Selbst im Urlaub hast du über Büchern gesessen oder Notizen für Aufsätze gemacht. Wie passt denn das zusammen?
Zwischen innerer Gelassenheit und äußerer Betriebsamkeit besteht kein Widerspruch, denn das eine bezieht sich darauf, was ich tue , das andere darauf, wie ich meine Tätigkeiten interpretiere . Früher habe ich viele Dinge hauptsächlich deshalb gemacht, weil ich mir und der Welt beweisen wollte, wie »großartig« ich bin. Heute tue ich die Dinge, weil ich sie als sinnvoll erachte oder weil sie mir Spaß machen. Natürlich versuche ich noch immer, das Optimum herauszuholen. Aber: Ich bilde mir nichts mehr darauf ein, wenn irgendetwas besonders gut gelingt, und ich verzweifle auch nicht mehr, wenn irgendetwas total in die Hose geht. Diese andere Haltung zu mir und dem, was ich tue, ist sehr entlastend! Nach außen lässt sich dieser Unterschied in der Selbstwahrnehmung jedoch nur schwer vermitteln.
Ich kann mir vorstellen, dass dich viele Leute ganz anders wahrnehmen. Wahrscheinlich halten sie dich für einen total eingebildeten Pinsel, der sich mit seinen Aktivitäten permanent in den Mittelpunkt rücken muss …
Natürlich! Und dafür habe ich auch größtes Verständnis, denn sie können ja nicht wissen, wie es ist, ich zu sein, ebenso wenig, wie ich wissen kann, wie es ist, jemand anderes zu sein. Was ich aber weiß, ist, dass sich mein Umgang mit mir selbst merklich entspannt hat, seitdem mir klar ist, dass dieses »Ich« längst nicht so bedeutsam ist, wie es mir früher erschien.
Dass man von außen nicht einschätzen kann, wie es ist, jemand anderes zu sein, hatten wir ja schon in einem unserer ersten Gespräche. Aber ist es nicht so, dass jeder von uns Signale aussendet, die uns dabei helfen, einzuschätzen, wie die anderen ticken? Bei dir fällt mir auf, dass du meist ungewöhnlich gelassen reagierst, wenn dich jemand angreift. Hat das auch etwas mit deiner Haltung zum Stolz zu tun?
Sicher! Schließlich weiß ich ja: Nicht nur ich muss unter den gegebenen Bedingungen so sein, wie ich bin, auch die anderen können nur so sein, wie sie sein müssen. So wie ich es nicht verhindern konnte, die Fehler zu begehen, die ich begangen habe, konnten auch sie die Fehler nicht
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