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Leibniz war kein Butterkeks

Titel: Leibniz war kein Butterkeks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lea; Schmidt-Salomon Salomon
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nicht, mit welchen Gründen man dem Individuum sein »Recht auf Rausch« entziehen sollte. Wenn nicht das Individuum über seinen eigenen Körperstoffwechsel bestimmen kann, wer denn sonst? Ich finde, dass sich der Staat hier viel zu sehr in Belange einmischt, die ihn im Grunde gar nichts angehen.
    Du würdest dich also nicht für die Kampagne »Keine Macht den Drogen!« zur Verfügung stellen?
    Na ja, »Macht« sollten Drogen natürlich nicht über uns haben! Ich bestreite nicht, dass im Drogenkonsum ernsthafte Gefahren lauern. Von manchen Drogen sollte man auch definitiv die Finger lassen! Und bei fast allen Drogen ist es erforderlich, dass man die Kompetenz besitzt, den Konsum unter Kontrolle zu halten. Das gilt auch für die (bei uns) legalen Drogen Alkohol, Nikotin oder Koffein. Aber: Die Vorstellung, dass es prinzipiell schädlich oder gar verwerflich sei, Drogen zu konsumieren, ist Unsinn. Radikale Abstinenzprediger, die sich auf diesem Gebiet als Tugendwächter aufspielen, sind mir sehr suspekt. Meist leiden sie unter einem säkularen Gesundheitswahn oder einem religiösen Moralismus-Wahn. Manchmal kommt auch beides zusammen.
    Was verstehst du denn unter einem »Gesundheitswahn«?
    »Gesundheitswahn« erkennt man daran, dass Menschen ihr Leben zwanghaft auf das Ziel ausrichten, alles Erdenkliche zu tun, um nach all den harten Entbehrungen am Schluss wenigstens »gesund« sterben zu können.
    Das klingt wirklich absurd.
    Absurd, aber auch tragisch: Denn wer jeden Genuss, jede Speise, jede Handlung ängstlich unter dem Gesundheitsaspekt betrachtet, ist krank, ohne es zu wissen. Er führt eine Schlacht, die nicht zu gewinnen ist, denn das Leben führt nun einmal zwangsläufig zum Tode, selbst wenn man jeden Gesundheitstipp 200-prozentig erfüllt. Ich will damit nicht sagen, dass man auf seine Gesundheit nicht achten sollte, aber man sollte doch bei aller Gesundheitsfürsorge das Leben nicht verpassen! Schließlich kann es doch nicht nur darum gehen, dem Leben mehr Jahre zu geben, sondern auch den Jahren mehr Leben . Wer sich aus »Gesundheitsgründen« alles versagt, was im Leben Spaß macht, weil es zu fett, zu süß, zu risikoreich, zu unvernünftig ist, der führt ein Leben, von dem man sich fragt, warum er es denn überhaupt unter allen Umständen verlängern möchte. Mein Stiftungskollege, der Schweizer Immunologe Beda M. Stadler, sagte einmal in einer gemütlichen Runde, das Leben sei eine Rutsche, die unweigerlich nach unten führt – und es rutsche sich einfach angenehmer mit einem Glas Whiskey in der einen und einer Zigarre in der anderen Hand. Das sind, wie ich meine, weise Worte! Natürlich sollte man die Sache mit dem Whiskey und der Zigarre nicht übertreiben, aber: Wer niemals nach einer durchzechten Nacht mit einem ordentlichen Brummschädel aufgewacht ist, der hat auch nicht wirklich gelebt.
    Ja, das sehe ich auch so: Was wäre das Leben ohne rauschende Partys! Aber lass uns noch mal auf das zurückkommen, was du eben gesagt hast: Du hast davon gesprochen, dass manche Abstinenzprediger von einem religiösen Moralismus-Wahn getrieben sind. Was ist denn darunter zu verstehen?
    Wenn man in die Geschichte schaut, so stellt man fest, dass Drogenverbote ganz wesentlich durch religiöse Kräfte vorangetrieben wurden. So war es Papst Innozenz VIII., der in seiner berühmt-berüchtigten »Hexenbulle« von 1484 erstmals den Gebrauch von Cannabis untersagte. Als 1912 das »1. Internationale Opiumabkommen« (IOA) in Den Haag verabschiedet wurde, das Opium, Kokain und Morphium ächtete und die Grundlagen für die internationale Drogenprohibitionspolitik schuf, geschah dies nicht zufällig unter Vorsitz des protestantischen Bischofs Charles Brent, der schon das Vorbereitungstreffen in Schanghai geleitet hatte. Auch die Abstinenzbewegung, die in den USA das Verbot von Alkohol in den Jahren 1919–1933 durchsetzte (und dadurch den Aufstieg der Mafia begünstigte), wurde wesentlich von religiösen Moralisten vorangetrieben, insbesondere von der christlich-fundamentalistischen »Prohibition Party« und dem »Christlichen Frauenbund für Abstinenz«.
    Warum sind religiöse Menschen denn an solchen Themen so sehr interessiert?
    Das hat damit zu tun, dass die Religionen seit jeher versuchen, den Rausch zu kontrollieren. Deshalb gibt es auch so viele religiöse Vorschriften auf dem Gebiet der Sexualität und des Drogenkonsums. Die Religionen geben vor, welche Lust erlaubt ist und welche nicht – und gerade deswegen

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