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Leibniz war kein Butterkeks

Titel: Leibniz war kein Butterkeks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lea; Schmidt-Salomon Salomon
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noch einmal zu versuchen«. Das Problem ist doch, dass sich die meisten für ihr Scheitern verurteilen und voreilig resignieren, da sie die Notwendigkeit ihres Scheiterns nicht anerkennen. Ist man sich jedoch im Klaren darüber, dass man unter den gegebenen Bedingungen gar nicht erfolgreicher sein konnte, als man es war, so ist dies eine große Hilfe. Auf diese Weise nämlich kann man so etwas wie »brennende Geduld« entwickeln, das heißt: die Fähigkeit, einerseits mit Elan an der Verwirklichung seiner Ziele zu arbeiten, es andererseits aber zu verkraften, wenn sich zeigt, dass sich das Angestrebte doch nicht realisieren lässt.
    Demnach wäre »brennende Geduld« das Erfolgsrezept von Johnny Weissmueller, Wilma Rudolph und Thomas Edison gewesen?
    Ja. Man darf weder zu ungeduldig noch zu phlegmatisch sein, um das zu entfalten, was in einem steckt. Natürlich kann nicht jeder zu einer Wilma Rudolph oder einem Thomas Edison werden, aber ich bin überzeugt, dass in uns allen verborgene Potenziale schlummern, die nur darauf warten, abgerufen zu werden. Tragischerweise bleiben jedoch die meisten Menschen weit unter ihren Möglichkeiten. Daran sind sie, wie wir gesehen haben, nicht »selber schuld«, dennoch ist es bedauerlich, wie wenig wir in der Regel aus unseren Talenten machen. Jedenfalls ist das Wachküssen unserer eigenen Potenziale ein wesentlicher Baustein in der »Kunst des Lebens« – auch wenn es nur die allerwenigsten auf diesem Gebiet zu wahrer Meisterschaft gebracht haben …
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    »Ich war lediglich ein Werkzeug in der Hand stärkerer Kräfte und eines unerfindlichen Schicksals.« Mit diesen Worten versuchte sich SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann (1906 bis 1962) der Verantwortung zu entziehen, die auf ihm als einem der Hauptverantwortlichen für die nationalsozialistischen Verbrechen an den Juden lastete. Zwar hatte Eichmann recht, als er schrieb, dass er nur durch die »Formung der Umwelt« zu dem wurde, was er war, und es stimmte auch, dass er (wie jeder andere!) nicht über seinen »eigenen Schatten zu springen« vermochte, aber das legitimierte seine Handlungen natürlich in keiner Weise.
    Man kann in Adolf Eichmann gewissermaßen den Prototyp des »autoritären Charakters« sehen, den der Psychoanalytiker und Sozialphilosoph Erich Fromm (1900–1980) 1941 in seinem wegweisenden Buch »Die Furcht vor der Freiheit« beschrieb: »Der Mut des autoritären Charakters ist im Wesentlichen ein Mut, das zu ertragen, was das Schicksal oder sein persönlicher Repräsentant oder ›Führer‹ für ihn bestimmt hat. Zu leiden, ohne zu klagen, ist seine höchste Tugend – und nicht der Mut zum Versuch, das Leiden zu beenden oder wenigstens zu mildern. Nicht das Schicksal zu ändern, sondern sich ihm zu unterwerfen, macht den Heroismus des autoritären Charakters aus.«
    Besser lässt sich Eichmanns Charakter kaum beschreiben. Jedenfalls war der Gedanke, dass sich ein Einzelner in irgendeiner Weise dem »machtvollen Walten des Schicksals« entgegenstellen könne, in seinem Weltbild nicht vorhanden. Das Beispiel Eichmann zeigt. Wird das Individuum erfolgreich mit dem Glauben geimpft, dass es sich den Verhältnissen unterwerfen muss, wird es dies auch tun. Der Glaube an die Ohnmacht des Individuums macht es tatsächlich ohnmächtig und verhindert, dass es die Gestaltungsräume nutzt, die ihm prinzipiell offenstehen könnten.
    Aus diesem Grund ist Fatalismus (Schicksalsglaube) gefährlich – ob er nun in seinem traditionellen, religiösen Gewand auftritt (man denke etwa an das Kastensystem im klassischen Indien, wo die »Unberührbaren« glaubten, zur Verrichtung niedrigster Arbeiten bestimmt zu sein) oder aber in einer moderneren, pseudowissenschaftlichen Variante, etwa dem Glauben an die »schicksalhafte Macht der Gene«.
    Welche Folgen ein solcher »Gen-Fatalismus« haben kann, machte unter anderem das Buch »The Bell Curve« deutlich, das die beiden US-amerikanischen Professoren Charles Murray (*1943) und Richard Herrnstein (1930–1994) im Jahr 1994 vorlegten. Murray und Herrnstein gingen nicht nur davon aus, dass Intelligenz größtenteils erblich sei, sondern meinten auch, dass Arbeitslosigkeit, Schulversagen, Armut, Vernachlässigung von Kindern sowie eine Reihe anderer sozialer Probleme auf niedrige Intelligenzquotienten (IQ) zurückgeführt werden könnten. Die Autoren schlugen daher vor, Hilfen für ledige Mütter zu streichen, da derartige Sozialprogramme dazu führen würden, dass

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