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Leiche in Sicht

Leiche in Sicht

Titel: Leiche in Sicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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kostbar.» Doch Reggie
zuckte nicht mit der Wimper. Mr. Pringle stellte seine Frage, der Anwalt lehnte
sich in den Sessel zurück und schaute träumerisch aus dem Fenster.
    «Nun, das ist eine Angelegenheit, die
sehr genauer Abwägung bedarf. Ich müßte da einmal in einigen Standardwerken
nachschlagen, wie die Gesetzeslage interpretiert wird.»
    «Ich dachte, es sei schlicht und
einfach eine Frage, ob, was dem einen recht, dem anderen billig ist», sagte Mr.
Pringle scharf. «Das müßte sich meiner Meinung nach auch anhand eines Kommentars feststellen lassen.» Reggie grinste von Ohr zu Ohr.
    «Aber Mr. Pringle, Sie wissen doch, daß
es so einfach mit den Gesetzen nicht ist. Meistens gibt es irgendwo einen
Haken.» Doch so schnell gab sich Mr. Pringle nicht geschlagen.
    «Im Augenblick weiß ich nur eins»,
sagte er fest, «und zwar, wenn diese Heirat stattfinden sollte — dann
ausschließlich aus dem von mir angegebenen Grund. Und wenn die Antwort auf
meine Frage ‹ja› lautet, dann muß diese Heirat verhindert werden. Sie ist ja
schließlich ohnehin nur durch den Mord an Elizabeth möglich geworden.»
    «Mord!» Reggies Augenbrauen schossen in
die Höhe, dorthin, wo früher einmal sein Haaransatz gewesen war. Abwehrend hob
er die Hände. Mit Mord wollte man in Warlingham nichts zu schaffen haben.
    «Ich glaube jedenfalls, daß es Mord
war», schwächte Mr. Pringle ab, aber Reggie schüttelte nur entsetzt den Kopf.
    «Wenn es auf Mord hinausläuft, kann ich
Ihnen nicht helfen, tut mir leid.»
    «Dann geben Sie mir doch wenigstens
eine Antwort aus dem Stegreif: Ja oder nein?» bat Mr. Pringle. Doch Reggie ließ
ihn abblitzen.
    «Juristen geben nie eine Antwort ‹aus
dem Stegreif›, Mr. Pringle. Viel zu gefährlich. Aber wenn Sie einen Rat von mir
wollen...» Mr. Pringle war schon aufgestanden. Einen Rat von Reggie konnte und
wollte er sich nicht leisten. «Was haben Sie jetzt vor?»
    «Ich werde zur Polizei gehen.»
    Reggie grinste schmierig. «Dann darf
ich Sie vielleicht daran erinnern, daß man unter gewissen Umständen berechtigt
ist, einen Anwalt dabeizuhaben.» Reggie hatte gewonnen.
     
    Eigentlich hätte die Hinfahrt nicht
weiter problematisch sein müssen, wenn nicht British Rail der Ansicht gewesen
wäre, daß ein Reisender, wenn er erst einmal in Warlingham angekommen war, doch
unmöglich die Absicht haben konnte, in einem Zeitraum von nur wenigen Stunden
schon wieder die Rückfahrt anzutreten — schon gar nicht dorthin, wo Mr. Pringle
hergekommen war. So hatte er reichlich Zeit, die Situation zu überdenken. Sie
war verzwickt. Zwar war er überzeugt von seiner Theorie, wie schrecklich sie
auch sein mochte, doch war er nicht so naiv anzunehmen, daß es in erster Linie
auf die Wahrheit ankäme: Was zählte, war der Beweis. Im Vergleich dazu war
Wahrheit nur eine zu vernachlässigende Größe. Das Problem war — er hatte keinen
Beweis. Die Aussage eines weiblichen Friseurlehrlings würde unter den
geschickten Fragen eines cleveren Verteidigers schnell an Wert verlieren. Davon
abgesehen: Welche Mittelschicht-Jury würde schon ihre Vorurteile so weit
überwinden können, daß sie einem sechzehn Jahre alten Mädchen mit bunten
Strähnen in den Haaren überhaupt Glauben schenkte? Und Donna mit ihrem
aggressiven Auftreten war nicht jemand, der andere leicht für sich einnahm.
    Es war natürlich möglich, daß der
Pathologe seine Aufzeichnungen noch einmal durchging, aber Mr. Pringle
bezweifelte, ob er würde beweisen können, daß Elizabeth erstickt war, weil man
ihr eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt hatte. Sie hatte einen Teil dessen,
was sie erbrochen hatte, eingeatmet, aber es war nicht genug gewesen, die
Luftröhre so vollständig zu blockieren, daß überhaupt kein Sauerstoff mehr in
ihre Lungen drang. Doch die Plastiktüte — wenn es überhaupt eine Plastiktüte
war — war bestimmt längst verschwunden und hatte keinerlei Spuren hinterlassen.
Wenn der Pathologe von dem Verteidiger einem Kreuzverhör unterzogen würde, so
würde vermutlich das häufigste Wort, das er gebrauchte, «möglicherweise» sein —
und welche Jury würde sich davon überzeugen lassen.
    Und dann das Motiv für den Mord. Mr.
Pringle glaubte es zu kennen, aber es war so geschickt getarnt, daß außer ihm
anscheinend alle es übersehen hatten. Wenn er nun die Aufmerksamkeit darauf
lenkte, würde man ihm überhaupt noch glauben? War es nicht viel
wahrscheinlicher, daß man ihn auslachen würde?
    Das schlimmste aber

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