Leiche in Sicht
Gang aufs Revier, um die neue Aussage zu machen, war
ihm wie ein Verrat vorgekommen und hatte ihn furchtbare Überwindung gekostet,
aber was ihm jetzt bevorstand, war ungleich schlimmer. Würde er überhaupt die
Kraft haben, das durchzuhalten, oder würde er vorher aus Angst und Aufregung an
einem Herzschlag sterben? Schwerfällig stand er auf. Er mußte sich mit irgend
etwas beschäftigen, sonst würde er noch völlig verrückt. Vielleicht gab es in
Mavis’ Garten etwas für ihn zu tun. Die Nachbarin sowie ihre Busenfreundin von
gegenüber bezogen wieder Posten hinter der Gardine. Sie waren sich einig, daß
es eine Schande sei, besonders, wo jetzt gleich die Kinder aus der Schule
kommen und Fragen stellen konnten. Der gute Ruf der Straße war ernstlich in
Gefahr.
«Liebe Güte, du bist aber wirklich
fleißig gewesen!» Mavis freute sich. «Die Lupinen hatten es nötig, vielen
Dank.» Sie kam auf ihn zu, um ihn zu umarmen, doch dann sah sie seinen
Gesichtsausdruck. «Großer Gott, was ist los?» Die Tränen flössen bei ihm nicht
so leicht wie bei Charlotte. Er war es nicht mehr gewöhnt zu weinen.
«Mavis, ich brauche deine Hilfe!»
Zuerst wollte sie ihm nicht glauben.
Wieder und wieder ließ sie sich von ihm den Ablauf der Ereignisse erzählen und
stellte immer neue Fragen, bis sie schließlich, nachdem er ihr keine Antwort
schuldig geblieben war, aufgab. «Oh, mein Gott», flüsterte sie wieder und
wieder.
«Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht
damit belasten, aber ich wußte nicht mehr, was ich tun sollte. Ich habe das
Gefühl, ich drehe bald durch.»
«Aber ja, natürlich. Es ist ein Wunder,
daß du es überhaupt so lange ausgehalten hast. Die ganze Zeit zu wissen...»
«Also richtig überzeugt davon, daß es
stimmt, bin ich erst, seit ich mit Donna Hanson gesprochen habe.»
«Und was ist mit Roges Tod? Du wußtest
doch schon Bescheid, als wir Maureen trafen, oder?»
«Ganz sicher bin ich mir eigentlich
immer noch nicht», sagte er, doch Mavis wischte seine Bedenken beiseite.
«Es ist die einzige Erklärung, die Sinn
macht. Wenn Maureen sagt, daß Roge nicht der Typ war, der Selbstmord begehen
würde, dann glaube ich ihr — sie ist nicht jemand, der sich oder anderen etwas
Vormacht. Aber könnte man nicht vielleicht versuchen herauszufinden, woher die
beiden Fünf-Pfund-Noten stammten?»
Mr. Pringle schüttelte den Kopf. «Es
war doch nur noch ein wenig Asche übrig. Wenn die Scheine nicht irgendwie
markiert waren, was ich für unwahrscheinlich halte, dann glaube ich nicht, daß
man noch feststellen kann, wo sie ausgegeben worden waren.»
«Wie hast du eigentlich den Abend
verbracht, als Matthew neulich bei dir zum Essen war?» erkundigte sie sich
plötzlich.
«Ich war froh, daß er gekommen war. Ich
wollte wissen, was er der Polizei erzählt hatte.»
«Aber bist du da nicht ein ziemliches
Risiko eingegangen? Wenn ich nun angefangen hätte, über unsere Unterhaltung mit
Maureen zu berichten?» fragte sie. Mr. Pringle lächelte verlegen.
«Ich muß dich um Entschuldigung bitten,
Mavis. Ich habe dir an dem Abend mit Absicht ein wenig öfter nachgeschenkt als
sonst, weil ich bemerkt habe, daß du, wenn du so richtig in Stimmung kommst,
immer anfängst, von den Eskapaden deines verstorbenen Ehemannes zu erzählen.
Deine Erzählungen sind ja auch immer sehr amüsant...» fügte er eilig hinzu.
«Nur, an dem Abend habe ich es sozusagen für meine Zwecke ausgenutzt.»
«Du meinst also», sagte sie langsam,
«daß ich, wenn ich etwas beschwipst bin, unweigerlich anfange, die alten
Geschichten mit Herbert auszugraben. Nun, vermutlich hast du recht. Es tut mir
leid. Offenbar bin ich noch immer nicht ganz über ihn, und was er mir angetan hat,
hinweg. Aber jetzt mal was anderes — was ist eigentlich mit der Polizei? Wenn
du ihnen alles genauso erzählt hast wie mir, dann müssen sie dir doch geglaubt
haben! So wie du es darstellst, erscheint plötzlich alles in einem ganz neuen
Licht. Was wird übrigens unter diesen Umständen aus der Hochzeit?»
«Das ist genau der Punkt, der mir am
meisten Sorgen macht», sagte er und erklärte ihr, warum. Mavis schwieg eine
Weile, dann fragte sie, was er nun vorhätte.
«Mir bleibt nur noch ein Tag. Ich werde
versuchen herauszufinden, ob die Polizei etwas zu unternehmen gedenkt.»
«Aber ganz bestimmt!» rief Mavis. «Sie
können doch vor dem, was du ihnen erzählt hast, nicht einfach die Augen
verschließen. Dazu ist die Sache doch viel zu ernst.»
«Aber
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