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Leiche in Sicht

Leiche in Sicht

Titel: Leiche in Sicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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daß
zur selben Zeit noch andere Leute dort oben waren, aber wenn, dann habe ich
nicht darauf geachtet, können Sie das verstehen? Die Polizei wollte mir das
nicht glauben. Irgendwann bin ich dann doch zu den anderen hinuntergegangen,
was hätte ich auch sonst machen sollen?»
    «Patrick und John haben ausgesagt, daß
Sie, als Sie auf die Lichtung kamen, ganz außer sich gewesen wären. Stimmt
das?»
    «Ja», sagte Charlotte. «Als ich sie
alle dort sah, kamen plötzlich der Schrecken und die ganze Wut wieder hoch. Ich
fing an zu weinen. Die Sache steckte mir doch noch irgendwie in den Knochen.»
    «Ja, natürlich.»
    Während er sich eine zweite Tasse Tee
einschenkte, fragte Mr. Pringle beiläufig: «Und sonst erinnern Sie sich an
nichts mehr, das Sie gesehen oder gehört hätten, als Sie herumliefen?» Er
spürte, wie sie ihn ansah.
    «Nein. Ich sagte Ihnen doch — ich habe
nicht groß auf meine Umgebung geachtet.» Die Flliege hatte den Rand des Tisches
erreicht und stürzte über die Kante auf den Fußboden. Mr. Pringle beobachtete,
wie sie dort mit zappelnden Beinen liegenblieb. Er würde sie nicht töten. Die
letzten Tage hatten ihn wieder gelehrt, vor allem Lebendigen Ehrfurcht zu
haben. «Ich fürchte, ich habe Ihnen nicht viel weitergeholfen, nicht wahr?»
sagte sie. In ihrer Stimme lag Bedauern.
    «Haben Sie in jener Nacht in der Yacht
geschlafen?»
    «Ja, natürlich», sagte sie überrascht.
«Warum fragen Sie?»
    «Ich meine, haben Sie in der Kabine
geschlafen oder auf Deck?»
    «Ach, ich verstehe. Nein, in der
Kabine. Em und ich, wir sollten eigentlich beide dort schlafen, aber Em ist in
die Plicht umgezogen. Sie und John hatten ein Techtelmechtel miteinander. Und
von dort aus war es leichter, mal kurz zur Zodiac hinüberzuschlüpfen.»
    «Ich verstehe.» Charlotte war
aufgestanden, und Mr. Pringle hatte sich aus Höflichkeit ebenfalls erhoben.
    «Ich muß zurück nach Hause. Es gibt
noch viel zu tun.» Sie war wieder ganz das junge Mädchen, das sich eifrig in
Hochzeitsvorbereitungen stürzt.
    «Das kann ich mir denken. Meine eigene
Hochzeit war eine sehr ruhige Angelegenheit, aber die am Samstag...» Mr.
Pringle machte eine ausholende Geste, um den großen Rahmen anzudeuten, doch
dann fiel ihm ein, daß diese Hochzeit niemals stattfinden würde, und ihm wurde
ganz flau. Charlotte hatte nichts bemerkt, sie redete munter weiter drauflos.
    «Diese halbe Stunde hier mit Ihnen war
eine richtige Erholung für mich. Ihr Haus ist so schön altmodisch und
friedlich.» Er nickte nur, ihm stand nicht der Sinn nach Komplimenten. «Pa hat
eine Firma beauftragt, das Ganze zu organisieren. Wir müssen nur entweder ‹ja›
oder ‹nein› sagen. Sie werden dafür bezahlt, daß sie mit möglichen Problemen
allein fertig werden — und natürlich dafür, daß am Samstag alles glatt läuft.
Zu Hause herrscht im Moment das reinste Chaos. Überall fremde Leute. Die
Einladungen werden übrigens durch Boten überbracht, weil zu wenig Zeit war. Sie
bekommen Ihre morgen.» An der Tür zum Flur blieb sie stehen: «Sie werden doch
kommen?»
    Dies war der Moment! Jetzt und hier war
der Augenblick, ihr zu sagen, daß die Hochzeit nicht stattfinden würde. Doch
dann fiel ihm ein, daß er die Verantwortung ja abgegeben hatte. Die
Entscheidung lag nicht mehr bei ihm, sondern bei der Polizei und der
Staatsanwaltschaft. Bevor er auf ihre Frage antworten konnte, sagte sie hastig:
«Ach wir sind eben ganz darüber hinweggekommen... Sie haben mir noch gar nicht
gesagt, ob sie mit Ihren Ermittlungen weitergekommen sind. Pa wollte es gern
wissen.»
    Die Fliege hatte eine Chance bekommen
weiterzuleben, Roge Harper und Elizabeth Hurst hatte man sie verwehrt. Und wie
sicher war Donna? Unwillkürlich blickte er zur Anrichte hinüber, wo neben der
Obstschale der Umschlag mit seinen Aufzeichnungen lehnte. «Richten Sie Ihrem
Vater aus, daß ich sämtliche Ergebnisse meiner Ermittlungen der Polizei
übergeben habe», sagte er. «Und was die Hochzeit angeht...» Doch sie schüttelte
heftig den Kopf und sah ihn mit Tränen in den Augen bittend an. So schwieg er.
    «Ist schon gut», sagte sie, «ich bin
schon darüber hinweg, oder doch fast. Ich werde Pa berichten, was Sie mir
gesagt haben.»
    Sie ging zur Haustür. Er sah ihr nach,
wie sie die Straße überquerte und in das Auto stieg. War sie eine Botin
gewesen, die ihn — möglicherweise selbst ahnungslos — hatte warnen sollen? Er
begann unwillkürlich zu zittern und mußte sich am

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