Leiche in Sicht
zurückzucken. Würde er heil aus der ganzen Sache
herauskommen? Seit dem Morgengrauen hatte er sich diese Frage wieder und wieder
gestellt. Und einmal angenommen, er hätte sich nun doch geirrt? Dann würde die
Hochzeit eben stattfinden, sagte er sich energisch. Aber wie auch immer, eines
wußte er: Enid würde persönlich dafür sorgen, daß man ihn hängte, räderte und
vierteilte.
«So... Jetzt sieht es besser aus!»
Er ging nach oben in sein
Arbeitszimmer, um sich beim Anblick der Bilder etwas zu sammeln. Doch es half
nicht viel. Vielleicht hatte er auch nur seinen Aufbruch etwas hinausschieben
wollen, dachte er, in der Hoffnung, daß ihm vielleicht doch noch ein
Gnadenerweis zugestellt würde. Aber sicher hätte die Polizei es ihn sehr viel
früher wissen lassen, wenn sie vorgehabt hätte, etwas zu tun. Das Haus war
totenstill. Er nahm das Foto seiner verstorbenen Frau in die Hand. Es schien
ihm, als lächle sie ihm ermutigend zu, doch ihm war noch immer elend.
«Dein Taxi ist da!» Mavis stand unten
im Flur und wartete auf ihn. Sie umarmte ihn fest und flüsterte ihm zu: «Du
bist der tapferste Mann der Welt! Viel Glück!» Doch was ihm letztlich die Kraft
und den Mut gab, das Haus zu verlassen und ins Taxi zu steigen, war einzig der
Gedanke an Elizabeth und wie sie an jenem Tag an der Pinne gestanden und
gerufen hatte: «Ist das nicht wundervoll!»
In der Kirche wies man ihm einen Platz
an. Er kniete nieder und bat um Vergebung für das, was er zu tun vorhatte.
«Gibt es nicht doch noch einen anderen Weg?» betete er. Doch Gott blieb stumm.
Sein Platz war ganz hinten in der Kirche,
und so hatte er Gelegenheit zu beobachten, wie die, die Enid als «sehr wichtige
Leute» apostrophiert hatte, die Kirchenbänke vor ihm füllten. Als alle
versammelt waren, begann der Einzug der Hauptakteure: Matthew, begleitet von
seinem Bruder Alan, dahinter Enid am Arm von George.
Mr. Pringle blickte sich um. Um ihn
herum waren nur fremde Gesichter. Zu seiner Rechten saß eine auffallend große,
elegant gekleidete Frau, zu seiner Linken, mehr zum Chor hin, ein Mann, der
seiner Frau flüsternd auseinanderzusetzen suchte, warum es unumgänglich sei,
den Volvo gegen einen BMW auszutauschen. Oben auf der Empore begann der
Organist einen zweiten erfolglosen Versuch. Mr. Pringle schloß die Augen und
versuchte, sich die Gesichter von Elizabeth und Roge vorzustellen. Plötzlich
wechselte die Musik. Schon? Die Gemeinde erhob sich.
Sie waren zu weit entfernt, als daß er
mehr als einen flüchtigen Blick auf sie hätte werfen können. Ein fließender
weißer Schleier und Mr. Fairchilds energisches Kinn, das war alles, an das er
sich später erinnern konnte. Der Bräutigam am Altar war, von hier hinten aus
gesehen, nicht mehr als ein Schemen.
«...Wenn also jemand einen Grund nennen
kann, warum diesen beiden der Bund der Ehe verwehrt werden sollte, so mag er
nun vortreten und sprechen oder aber hinfort für immer schweigen.»
Mr. Pringle wandte sich zu dem Besitzer
des Volvo. «Entschuldigen Sie, würden Sie mich bitte durchlassen?»
Der Altar schien unendlich weit
entfernt. Seine Füße wurden bei jedem Schritt schwerer, er konnte sie kaum noch
heben, er würde nie da vorn ankommen... Doch er mußte es versuchen! Sein Herz
klopfte zum Zerspringen, so wie an jenem furchtbaren Morgen in Parga, als er,
von Entsetzen getrieben, den Strand entlang zum Hafen gerannt war.
Er spürte den Schock der Leute, die
Blicke und die Welle von Geflüster, die ihm, immer mehr anschwellend,
nachfolgte. Der Pfarrer hatte von alledem nichts mitbekommen, was daran lag,
daß dies erst seine zweite Hochzeit war und er sich noch auf die genaue Abfolge
der einzelnen liturgischen Schritte konzentrieren mußte. Jetzt beugte er seinen
Kopf über das Gebetbuch. Mr. Pringle beschleunigte seine Schritte. Er durfte
nicht zulassen, daß die nächste Frage gestellt wurde.
«Ich bitte um Verzeihung...» Er war
jetzt so dicht heran, daß er das Weiße im Auge seines Gegenübers erkennen
konnte. Der Pfarrer öffnete den Mund und schloß ihn gleich wieder, ohne daß nur
ein Laut herausgekommen wäre. Aber wenn, so hätte Mr. Pringle es vermutlich
auch nicht gehört, so laut rauschte ihm das Blut in den Ohren. Seine Kehle war
wie zugeschnürt, er hüstelte nervös, um sie wieder freizubekommen.
«Ich fürchte, diese Heirat kann nicht
stattfinden.» Seine Worte schienen von der Decke und den Säulen zurückgeworfen
zu werden, begleitet vom Aufstöhnen der Gemeinde.
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