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Leiche in Sicht

Leiche in Sicht

Titel: Leiche in Sicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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meine, auch wie du heute morgen so ruhig darüber
redest. Andere Frauen hätten sich von dem, was du erlebt hast, bestimmt viel
mehr niederdrücken lassen.» John hatte plötzlich das Gefühl, in den Hintergrund
gedrängt zu werden.
    «Wenn ich den Kerl, der das getan hat,
ausfindig mache, dem drehe ich den Hals um», versprach er wortgewaltig. Doch
Emma schüttelte bloß den Kopf.
    «Nein, ich will nicht, daß Sie jetzt
noch weiter nachforschen. Es ist vorbei. Und der, der das gestern abend getan
hat, hat sicherlich viel zuviel Angst vor Patrick und Ihnen, um es noch einmal
zu versuchen. Ich wollte nur, ich hätte letzte Nacht nicht so fahrlässig
irgendwelche Anschuldigungen ausgesprochen.» Sie hielt inne, um ihren Kaffee auszutrinken.
«Ich denke, ich sollte das heute morgen richtigstellen. Und vielen dank für die
liebevolle Fürsorge hier an Bord.» Sie stand auf und machte stolpernd ein paar
Schritte. John griff nach ihrem Arm; sie zuckte mit schmerzverzerrtem Gesicht
zusammen.
    «Oh, Entschuldigung, tut mir leid, ich
war wohl zu grob», sagte er geknickt.
    «Es ist doch besser, wenn ich allein
gehe», sagte sie. Sie lächelte in die Runde, dann ging sie mit wackeligen
Schritten auf das Luk zu. «Ich fühle mich heute morgen so schwach wie eine
neugeborene Katze», sagte sie selbstironisch und ließ sich von Matthew die
Stufen hinaufhelfen. Mr. Pringle und einige andere Mitglieder der Reisegruppe
beobachteten, wie sie an Deck auftauchte. Noch immer von Matthew gestützt,
drehte Emma sich um und warf Patrick und John Kußhände zu. «Vielen Dank noch
einmal», rief sie.
    «Gehen Sie mit Ihren Schrammen nicht in
die Sonne», warnte sie John.
    «Ich werde versuchen, daran zu denken»,
versprach sie. Matthew hob sie an Land. Von allen Seiten grüßte man zu ihr
herüber und erkundigte sich nach ihrem Befinden. Emma nickte lächelnd zurück.
«Dies ist wirklich ein himmlischer Ort, nicht?» hörte Mr. Pringle sie sagen,
während sie ihren Blick über die Bucht schweifen ließ. «Wo liegt eigentlich die Pisces ?» Matthew zeigte den Kai hinunter, und sie ging allein in die
angegebene Richtung. Als sie an Mr. Pringle vorbeikam, sprach dieser sie an, um
ihr zu sagen, wie froh er doch sei, sie wieder so munter zu sehen. Sie schenkte
ihm ein strahlendes Lächeln, und er fühlte sich gleich ein paar Jahre jünger.
    Ein Stück den Kai hinunter war
Elizabeth gerade damit beschäftigt, den Wassertank aufzufüllen. «Ich hoffe, daß
das, was letzte Nacht passiert ist, dir nicht den ganzen Spaß am Segeln
verdorben hat», sagte sie. «Es sieht so aus, als hätten wir heute geradezu
ideales Wetter.»
    «Ja, stimmt», erwiderte Em und sog
genüßlich die frische Morgenluft ein. «Mir ist das vorher gar nicht
aufgefallen, aber du hast recht», sagte sie. «Und was den Spaß am Segeln angeht
— den werde ich mir durch nichts verderben lassen.» Sie ging den Kai hinunter
bis zum letzten Boot. «Hallo! Ist jemand an Bord?»
    Roge steckte den Kopf aus dem Luk.
    «Oh, Sie sind’s», sagte er nicht
besonders freundlich. Emma ließ sich nicht irritieren. Mit einer Stimme, so laut,
daß man noch ein paar Boote weiter jedes Wort verstand, sagte sie, daß ihr ihre
Verdächtigungen leid täten, sie habe inzwischen eingesehen, daß sie sich geirrt
habe.
    «Ich habe ja gesagt, ich war es nicht»,
grummelte Roge, schon etwas besänftigt.
    «Ich weiß. Das ist mir inzwischen auch
klargeworden. Es tut mir leid, daß ich gedacht habe, Sie seien es gewesen. Aber
ich meinte, mich erinnern zu können, daß ich Sie vor mir gesehen hätte —
allein.» Sie wandte sich an Maureen, die jetzt ebenfalls an Deck gekommen war.
«Inzwischen ist mir eingefallen — Sie haben gestern etwas Dunkles angehabt,
nicht wahr?» Zwei oder drei Leute auf den anderen Booten erinnerten sich, daß
Maureen gestern ein dunkelblaues Kleid getragen hatte, und nickten auf einmal
verständnisinnig. «Deshalb habe ich gestern in der Finsternis auch nur Roge
gesehen», fuhr Emma fort. «Sie hatten helle Jeans an, nicht wahr?» sagte sie,
zu Roge gewandt.
    «Es ist wirklich sehr nett von Ihnen,
daß Sie sich bei uns entschuldigen», sagte Maureen eifrig, doch Emma hob die
Hand. Sie drehte sich um, so daß sie die anderen Boote im Blick hatte und sagte
laut und nachdrücklich:
    «Gibt es vielleicht jemanden, der sich
bei mir entschuldigen will?» Doch niemand antwortete ihr.
    Als die Sonne stieg, kamen die Wespen.
Den meisten waren sie heute nicht einmal unwillkommen, konnten

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