Leiche in Sicht
wollen doch nicht etwa...?»
«Und ob!»
Auf der Zodiac wußte man von der
bevorstehenden Ankunft der Fähre. Patrick brüllte verzweifelt in sein
Funkgerät. Die am Kai liegenden Yachten hatten auf dieselbe Frequenz
geschaltet, so daß seine Stimme bis in die Geschäfte zu hören war.
«Hier Zodiac. Hier Zodiac. In Griechenland haben Fähren Vorfahrt! Haben Sie verstanden!»
«Die können gar nichts verstehen»,
sagte grinsend ein wettergegerbter Segler zu seinem Gegenüber. «Die haben
anscheinend alle ihre Funkgeräte abgeschaltet. Komm, laß uns gehen, es gibt was
zu sehen.» Überall strömten die Leute aus den Geschäften, Bars und Restaurants,
um sich einen guten Platz für das zu erwartende Spektakel zu sichern.
Der griechische Kapitän saß auf der
Brücke seiner Fähre und dachte voll stiller Vorfreude an seinen bevorstehenden
Ruhestand. In drei Monaten würde er seinem Sohn in dessen Café zur Hand gehen.
Er war froh, endlich aufhören zu können. Die prächtige Landschaft hatte für ihn
durch die täglichen Fahrten inzwischen jeden Reiz verloren. Als er um die Insel
herum war, sah er sich plötzlich der Flottille gegenüber. Er sprang auf und
drückte seinen Daumen auf das Horn.
«O Scheiße!» Louise hatte die Gefahr
erkannt. Sie riß die Pinne herum und wendete. Roge verlor die Balance.
«Was soll...» Dann sah er es auch.
«O nein! Sie kommt direkt auf uns zu,
sie wird uns rammen!» Matthew wendete die Capricorn in nie gekannter
Geschwindigkeit, und Mr. Pringle packte mit beiden Händen den Rettungsring. Sie
waren der Fähre so nahe gewesen, daß sie das Essen und die Getränke auf den
Tischen des Restaurants hatten erkennen können. Mr. Pringle leckte sich die
Lippen, ob vor Schrecken, ob vor Hunger, war ihm selbst nicht ganz klar.
Reggie war dabei, die Aquarius seemännisch an einem Poller zu vertäuen. Ein paar der Einheimischen versuchten,
ihm durch Zurufe und Gesten etwas mitzuteilen, aber er verstand sie nicht, es
war so ein Höllenlärm. Und wo kamen bloß die Wellen her, die das Boot jetzt
gegen den Kai drückten? Dann ging das Licht aus. «O mein Gott», flüsterte er.
Phyllis lief zur Hochform auf.
«An den Bug, Reggie!» schrie sie.
«Abstoßen, abstoßen!»
Sie traten den Rückzug an nach Tranquil
Bay, um dort ihre Wunden zu lecken. Noch immer zitternd vor Wut und dem
ausgestandenen Schrecken, beorderte Patrick die versammelte Mannschaft auf die Zodiac.
«Ich muß Sie leider davon in Kenntnis
setzen, daß... zwei unserer Boote... und mindestens drei der anderen Flottille
schwer beschädigt worden sind, und Sie nachdrücklich darauf aufmerksam machen,
daß wir dringend darauf angewiesen sind, die Yachten noch elf weitere Wochen
benutzen zu können!» Es gelang ihm nur mit Mühe, sich zu beherrschen, doch die
solchermaßen Gescholtenen zeigten wenig Reue. Schließlich war das Ganze nicht
ihre Schuld — er hatte ihnen versprochen, daß sie nach Nidri führen.
«Und was jetzt?» fragte Phyllis
aufsässig.
«Wir denken, daß es das beste wäre,
wenn wir weiter in Richtung Parga segelten, und zwar bis Levkas. Wir haben den
Wind im Rücken, die Fahrt dürfte also nicht allzulange dauern. Levkas ist
größer als Nidri, und ich habe mich erkundigt, wir werden die einzige Flottille
dort sein.»
Es bedurfte keiner großen Überredung.
Alles war besser, als hier herumzuhängen, den Ort der Niederlage ständig vor
Augen. Kate zauberte von irgendwoher genügend Brot und Ziegenkäse herbei, um
den größten Hunger zu stillen, und John braute einen Punsch. Eine Stunde später
waren sie bereit zum Auslaufen. Doch bevor sie auf ihre eigenen Boote
zurückgingen, gab ihnen Patrick noch Anweisungen mit auf den Weg.
«Wenn wir in Levkas ankommen, ankern
wir mit dem Bug in Richtung des Freilichtkinos.»
«Ein Kino?» fragte jemand überrascht.
«Ja. Eine tolle Sache. Sie zeigen dort
meistens alte Vampirfilme und dergleichen. Und jetzt hören Sie bitte noch einen
Augenblick genau zu: Wir werden wegen des Windes eine rasche Fahrt haben, ich
möchte Sie aber bitten, an der Einfahrt zum Levkas-Kanal zu warten, damit wir
ihn gemeinsam durchfahren. Okay?»
Draußen auf dem offenen Meer herrschte
Seegang. Elizabeth verzog sich nach unten. Sie sei müde und wolle etwas
schlafen, sagte sie. Ob Mr. Pringle eine Weile das Ruder übernehmen könne. Er
mochte ihre Bitte nicht ablehnen.
Matthew war ebenfalls unter Deck und
damit beschäftigt, auf der Karte ihren Kurs auszutüfteln, und so war Mr.
Pringle
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