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Leiche in Sicht

Leiche in Sicht

Titel: Leiche in Sicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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der Felsen gebröckelt war, als
sie hinunterstürzte. Außerdem — die Polizei mochte aus diesen Spuren ihre
Schlüsse ziehen, doch nicht er. Elizabeth war zu Tode gestürzt. Sie war tot
gewesen, bevor ihr Körper auf die Wasseroberfläche geprallt war. Und wenn noch
jemand zu diesem Zeitpunkt dort oben gewesen war, so gab es dafür jedenfalls
keinen Beweis. Die Polizei war überzeugt, daß man sie nicht gestoßen hatte.
Doch warum hatte sie nicht geschrien, so wie Emma in jener Nacht in
Spartahouri? Oder war ihr Schrei von der Musik und dem Rauschen der Wellen
übertönt worden?
    «War es schlimm heute morgen, Pring?»
erkundige sich Louise behutsam.
    «Nein, es ging. Danke.»
    «Wie wird denn Matty damit fertig? Ist
er okay?» Mr. Pringle dachte an das angespannte Gesicht.
    «Er kommt irgendwie klar — aber nur so
eben.»
    «Ist Liz vergewaltigt worden?»
    «Um Himmels willen! Was bringt Sie denn
auf so eine Idee?» Louise legte die Arme auf die Knie und starrte regungslos
aufs Meer hinaus.
    «Vergewaltigungen kommen sehr viel
häufiger vor, als gemeinhin angenommen wird, glauben Sie mir», sagte sie
bitter. «Hinterher fühlt man sich so absolut schmutzig und wertlos — man wird
fast verrückt. Und manche tun dann irgend etwas Dummes — sich von einem Felsen
stürzen zum Beispiel. Und ich — ich saufe. Die Tabletten helfen natürlich
auch.»
    «Es tut mir leid», sagte er beschämt.
    «Sie brauchen sich nicht zu
entschuldigen, Pring, Sie können doch nichts dafür. Ich dachte nur, daß es
möglicherweise das war, was Elizabeth zugestoßen ist.»
    «In dem Obduktionsbericht haben sie
davon nichts erwähnt. Wenn es Hinweise in dieser Richtung gegeben hätte...»
    «Sicher.» Und wieder dachte Mr. Pringle
an Gill. Wenn es nun eine versuchte Vergewaltigung gewesen war, und Elizabeth
hatte sich freigekämpft?
    «Hören Sie mal, Pring, Sie müssen doch
gleich los. Wollen wir nicht vorher noch mal ins Wasser?»
    Vom Meerwasser getragen, entspannte
sich sein Körper, und er wurde auf einmal ruhig.
    Über ihnen schwebte ein Fallschirm,
weiter draußen in der Bucht raste das Schnellboot in eine gewagte Kurve.
Ringsum kreischten die Kinder und genossen das warme Wasser.
    «Ist es nicht gefährlich, Tabletten zu
nehmen, wenn man trinkt?» fragte er. Louise paddelte, auf dem Rücken liegend,
ein wenig mit den Füßen.
    «Nur, wenn man beides gleichzeitig tut.
Ich nehme die Tablette immer erst, wenn ich schon betrunken bin. Mit sehr viel
Wasser. Auf diese Weise kann ich nachts entspannt schlafen. Früher habe ich
immer schreckliche Alpträume gehabt und bin dann schweißgebadet aufgewacht.
Inzwischen habe ich manchmal das Gefühl, als ob die ganze Sache schon weiter
weg wäre. Wer weiß — vielleicht komme ich ja vom Alkohol auch eines Tages
wieder los.»
    «Das wünsche ich Ihnen», sagte er
herzlich.
    «Ja, wär schön...» Er hatte sie in
Verlegenheit gebracht. «Los, kommen Sie, wer von uns beiden zuerst bei der
Plattform ist...»
     
    Der Abschied war kurz. Emma umarmte Mr.
Pringle und bat Matthew, sich bei ihr zu melden, dann eilten die beiden an Bord
der Fähre. Als er sich umdrehte, fiel Mr. Pringles Blick auf Charlotte. Sie
stand etwas seitlich von Emma und betrachtete ihre Schwester mit einem Blick,
der ihm Unbehagen einflößte. Genau wie gestern in Parga hatte er heute wieder
den Eindruck, als ob sie auf ihre Schwester eifersüchtig sei.
    Während des Fluges nach London kam Mr.
Pringle endlich dazu, seinem Neffen eine Frage zu stellen, die ihn die ganze
Zeit beschäftigt hatte: «Flat dich eigentlich das Ergebnis der Obduktion nicht
überrascht?»
    «Nein. Die Polizei hatte mir und
Patrick schon zuvor einen Teil der Untersuchungsergebnisse mitgeteilt, und ich
hatte Zeit, darüber nachzudenken. Eigentlich schien es Patrick und mir auch
viel plausibler, daß sie durch den Sturz umgekommen ist und nicht durch
Ertrinken. Wenn du dabeigewesen wärst, als wir sie geborgen haben...» Mr.
Pringle schluckte.
    «Ich bin froh, daß ich nicht dabeisein
mußte», sagte er, «und nach allem, was du durchgemacht hast, tut es mir sehr
leid, daß ich dich jetzt noch mit meinen Fragen behelligen muß, aber ich habe
da einfach noch so viele Zweifel.»
    «Wieso?»
    «Elizabeth ist meines Erachtens nicht
der Typ, der Selbstmord begeht.»
    Matthew stöhnte. «Oh, mein Gott! Das
bedeutet, daß es meine Schuld ist, weil ich bei dem Krach nicht eingelenkt
habe!»
    «Unsinn!» sagte Mr. Pringle energisch.
«Du wirst doch nicht etwa

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