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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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ich noch seine Aufmerksamkeit hatte.
    «Ja, sie führt hinten an den Häusern vorbei, aber ich kann nicht   …»
    «Ich hole meinen Wagen. Die Presse wird mir nicht folgen, aber es wird sie ablenken. Du gehst hinten raus und läufst durch
     den Garten. Wir treffen uns dann dort.»
    Es gefiel ihm nicht, aber er sah ein, dass mein Plan vernünftig war. Widerwillig nickte er.
    «Bis gleich», sagte ich und ging hinaus, bevor er seine Meinung ändern konnte.
    Die Sonne knallte mir ins Gesicht, als ich hinaustrat, und blendete mich. Ich ging geradewegs zu meinem Wagen und versuchte,
     den plötzlichen Aufruhr zu ignorieren, den meine Anwesenheit ausgelöst hatte. Die Pressemeute drängte mit Kameras und Mikrophonen
     vorwärts, doch die Aufregung war nicht von Dauer. «Das ist nicht Avery», sagte jemand, und damit schien ein Schalter umgelegt
     worden zu sein. Ein paar halbherzige Fragen wurden an mich gerichtet, aber da ich nicht antwortete, nahm das Interesse schnell
     ab. Als ich in den Wagen stieg und davonfuhr, hatten die Fernsehteams und Journalisten ihre Aufmerksamkeit bereits wieder
     auf das Haus gerichtet.
    Die Straße schlängelte sich weiter in die Siedlung, bevor sie eine Schleife machte und hinter Sams und Pauls Haus zurückführte.
     Hier war außer Paul niemand zu sehen. Er kam auf den Wagen zugelaufen und hatte die Tür schon aufgerissen, ehe ich anhalten
     konnte.
    «Fahr zurück auf die Hauptstraße und dann Richtung Berge», sagte er atemlos.
    Keiner der Medienleute verfolgte uns, als wir die Siedlung verließen. Sobald wir den Highway erreichten, war |344| die Strecke ausgeschildert. Abgesehen von ein paar knappen Anweisungen von Paul fuhren wir schweigend. Die vor uns aufragenden
     Smoky Mountains waren in Nebel gehüllt. Der Anblick der sich bis an den Horizont erstreckenden Berge war ernüchternd. Wie
     sollte man in dieser schier unendlichen Wildnis jemanden finden?
    Die hoch am Himmel stehende Sonne erzeugte eine fast schon sommerliche Wärme. Nach ein paar Meilen musste ich die Scheibenwaschanlage
     anschalten, um die toten Insekten abzuwischen. Die Spannung im Wagen wuchs, als wir den Fuß der Berge erreichten und durch
     Townsend fuhren. Nicht weit von hier hatte York den anderen Wagen gestreift und einen Baum gerammt. Wenige Meilen hinter der
     Stadt kamen wir zu einer großen Eiche am Straßenrand, die mit dem Flatterband der Polizei umwickelt worden war. Als wir daran
     vorbeifuhren, konnte man deutlich die weißen Furchen in der Rinde erkennen. Paul starrte mit düsterer Miene aus dem Fenster.
    Wir sagten beide kein Wort.
    Ein paar Meilen weiter wies er mich an, vom Highway abzubiegen, und wir begannen, in die Berge zu fahren. Sie ragten hoch
     um uns auf und warfen Schatten auf die Straße, die sich in Serpentinen nach oben schlängelte. Uns begegneten nur wenige andere
     Fahrzeuge, aber das war zu dieser Jahreszeit normal. Hier oben war noch immer Frühling. Der Waldboden war mit wilden Blumen
     bedeckt, deren blaue, gelbe und weiße Blüten das junge Gras sprenkelten. Zu jeder anderen Zeit hätte man sich an der atemberaubenden
     Schönheit der Appalachen erfreuen können, jetzt erschien sie wie ein grausamer Witz.
    «Bieg die Nächste rechts ab», sagte Paul. Wie viele Nebenstraßen in dieser Gegend war es eine schmale Schotterpiste. |345| Sie war so steil, dass das Automatikgetriebe des Wagens mit dem Anstieg alle Mühe hatte. Nach einer halben Meile wurde sie
     eben. Als wir um eine Kurve kamen, sahen wir, dass ein Polizeiwagen den Weg versperrte. Dahinter konnte ich vor dem dichten
     Wald Holztische und weitere Polizeifahrzeuge erkennen.
    Als ein uniformierter Polizist auf uns zukam, kurbelte ich das Fenster herunter. Er sah aus wie ein Jugendlicher, stolzierte
     aber herbei wie ein alter Mann. Er starrte mich unter der breiten Hutkrempe an und legte eine Hand auf seine Waffe im Gürtelholster.
    «Zurück. Sie können hier nicht weiter.»
    «Würden Sie bitte Dan Gardner sagen, dass Dr.   Hunter und   …», begann ich, doch da hörte ich, wie die Beifahrertür aufging. Als ich mich umschaute, sah ich Paul aus dem Wagen steigen.
     Der junge Polizist hastete sofort los, um ihn einzuholen.
O Gott.
    «Kommen Sie zurück! Gottverdammt, stehen bleiben, habe ich gesagt!»
    Ich sprang aus dem Wagen, lief hinter ihnen her und hielt Paul fest. Der Polizist hatte sich vor ihm auf den Weg gestellt
     und zog seine Pistole. Bis zu diesem Augenblick war mir nie klar gewesen, wie sehr ich

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