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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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Recht hat, das zu erfahren?»
    «Ja, aber nicht jetzt. Nicht alle Spuren sind frisch, und wir können nicht mit Sicherheit sagen, ob überhaupt welche von seiner
     Frau stammen.» Sie schaute kurz hinüber zu Paul, der vor dem Krankenwagen Wache hielt. «Dan ist der Meinung, dass es ihm im
     Moment kaum helfen wird, wenn er davon weiß.»
    Ich fand mich widerwillig damit ab. Mir gefiel es zwar nicht, Paul Informationen vorzuenthalten, aber seine Phantasie quälte
     ihn bestimmt schon genug.
    «Wie haben Sie den Krankenwagen gefunden?», fragte ich.
    Sie strich sich eine Haarsträhne zurück, die ihr ins Gesicht gefallen war. «Uns wurde ein Autodiebstahl gemeldet. Ein blauer
     Chrysler-Geländewagen. Ungefähr eine Viertelmeile von hier befinden sich Ferienhütten, zu denen keine Straße führt. Die Bewohner
     lassen ihre Wagen hier stehen und gehen |349| zu Fuß weiter. Deswegen hat York wahrscheinlich diese Stelle gewählt. Selbst in dieser Jahreszeit sind meistens ein oder zwei
     Hütten vermietet. Jeder, der sich in der Gegend auskennt, weiß, dass hier Autos stehen.»
    Ich schaute hinüber zu dem verbeulten Krankenwagen. Er war mitten auf der Lichtung abgestellt worden, nur wenige Meter von
     einem Dickicht aus Lorbeerbüschen entfernt. «York hat sich nicht viel Mühe gegeben, seine Spuren zu verwischen.»
    «Das musste er auch nicht. Die Wagen stehen hier manchmal tagelang, während ihre Besitzer im Wald Trapper spielen. York konnte
     darauf bauen, dass der, den er gestohlen hat, frühestens heute Morgen vermisst wird, vielleicht noch später. Es war reines
     Glück, dass dem Besitzer der Diebstahl aufgefallen ist.»
    Glück
. Davon hatten wir bisher nicht viel. «Ich hätte aber damit gerechnet, dass er ihn wenigstens so parkt, dass man die Beschädigungen
     nicht gleich sieht.»
    Jacobsen zuckte müde mit den Achseln. «Ich glaube, er musste sich um wichtigere Dinge kümmern. Er musste Samantha Avery in
     den anderen Wagen bringen, und das dürfte nicht leicht gewesen sein, wenn er tatsächlich verletzt ist. Den Krankenwagen zu
     verstecken war bestimmt sein geringstes Problem.»
    Wahrscheinlich hatte sie recht. Für York musste der Wagen nur so lange unentdeckt bleiben, bis er aus der Gegend verschwunden
     war. Danach spielte er keine Rolle mehr.
    «Glauben Sie, dass er die Interstate genommen hat?», fragte ich.
    «Es sieht so aus. Sie ist nur wenige Meilen entfernt und führt tiefer in die Berge. Oder er ist nach Westen umgekehrt und
     in einen anderen Staat gefahren.»
    |350| «Er könnte also sonst wo sein.»
    «Ja, so ziemlich.» Sie reckte ihr Kinn und schaute hinüber zu Paul, der noch immer vor dem Krankenwagen stand. «Sie sollten
     ihn nach Hause bringen. Es hat keinen Zweck, wenn er hierbleibt.»
    «Er hätte es nicht übers Fernsehen erfahren dürfen.»
    Sie nickte und nahm die Kritik hin. «Dan wollte ihn anrufen, sobald er Zeit dafür hatte. Aber wir werden Dr.   Avery sofort Bescheid geben, falls wir weitere Neuigkeiten haben.»
    Mir fiel auf, dass sie
falls
gesagt hatte und nicht
wenn
. Je länger die Suche dauerte, desto geringer wurde die Chance, Sam zu finden.
    Es sei denn, York wollte es.
    Während Jacobsen Gardner zum Wagen der Spurensicherung folgte, ging ich zurück zu Paul. Er gab eine traurige Figur ab, wie
     er auf den Krankenwagen starrte, als könnte er dadurch erahnen, wo seine Frau war.
    «Wir sollten jetzt gehen», sagte ich ruhig.
    Er schien keine Kraft mehr zu haben, sich zu widersetzen. Er schaute noch einen Augenblick auf den Krankenwagen, dann wandte
     er sich ab und ging mit mir zurück zum Wagen.
    Der junge Polizist warf Paul einen strengen Blick zu, als wir auf dem Pfad an ihm vorbeikamen, aber es war umsonst. Paul schien
     seine Umgebung nicht wahrzunehmen, als wir den Rastplatz verließen. Erst nachdem wir einige Meilen weit gefahren waren, begann
     er zu sprechen.
    «Ich habe sie verloren, oder?»
    Ich suchte nach den richtigen Worten. «Das kannst du nicht wissen.»
    «Doch, ich weiß es. Und du auch. Alle da oben wussten es.» Die Worte strömten jetzt aus ihm hervor wie Wasser aus einem |351| Hahn. «Ich habe die ganze Zeit versucht, mich daran zu erinnern, was ich ihr als Letztes gesagt habe. Aber es fällt mir nicht
     ein. Ich habe immer wieder darüber nachgedacht, aber es ist alles leer. Ich weiß, dass es nichts bringt, aber es macht mich
     verrückt. Ich kann einfach nicht glauben, dass alles ganz normal war, als ich sie das letzte Mal gesehen habe. Warum

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