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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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verschiedene Überwachungskameras zurückverfolgt. Es ist definitiv
     dasselbe Fahrzeug. Das ist die beste Aufnahme, die wir finden konnten.»
    Das hatte nicht viel zu bedeuten. Das Foto war bis an die Grenzen des technisch Machbaren vergrößert worden und hatte die
     typische Unschärfe von Standfotos, die man Videomaterial entnommen hatte. Der Blickwinkel machte es unmöglich, |334| den Fahrer zu erkennen, und soweit ich sehen konnte, war an dem Krankenwagen nichts Ungewöhnliches. Ein klobiger weißer Kastenwagen
     mit den orangefarbenen Abzeichen, wie sie bei den Rettungsdiensten Tennessees üblich waren.
    «Warum sind Sie sich sicher, dass es derselbe Wagen ist, den York benutzt hat?», fragte ich.
    «Weil es kein echter Krankenwagen ist. Die Abzeichen sehen authentisch aus, allerdings nur, bis man sie mit den echten vergleicht.
     Außerdem ist das Modell mindestens fünfzehn Jahre alt. Viel zu alt, um noch im Gebrauch zu sein.»
    Ich betrachtete das Foto genauer. Jetzt, wo sie es erwähnt hatte, sah der Krankenwagen tatsächlich veraltet aus. Aber es reichte,
     um die meisten Leute zu täuschen. Selbst vor einem Krankenhaus. Wer würde da schon genau hinschauen?
    Ich gab ihr das Foto zurück. «Er sieht ziemlich überzeugend aus.»
    «Es gibt Firmen, die darauf spezialisiert sind, mit gebrauchten Krankenwagen zu handeln. York hat sich wahrscheinlich für
     einen Spottpreis ein altes Modell gekauft und es dann so umlackiert, dass es aussieht wie die heutigen Krankenwagen.»
    «Dann können Sie also herausfinden, woher der Wagen stammt?»
    «Es wäre nur eine Frage der Zeit, aber ich glaube nicht, dass es uns weiterbringen würde. York hat beim Kauf wahrscheinlich
     eine Kreditkarte eines seiner Opfer benutzt. Und selbst wenn nicht, bezweifle ich, dass es uns jetzt bei der Suche nach ihm
     helfen würde. Dafür ist er zu clever.»
    «Was ist mit dem Kennzeichen?», fragte ich.
    «Daran arbeiten wir noch. Auf manchen Aufnahmen sind die Nummernschilder zu sehen, sie sind aber zu verschmutzt, |335| um die Nummer zu erkennen. Das könnte Absicht sein, allerdings sind auch die Seiten des Fahrzeuges vollgespritzt. Sieht so
     aus, als wäre er kürzlich durch Schlamm oder einen Sumpf gefahren.»
    Ich musste daran denken, was Josh Talbot gesagt hatte, als er die Libellennymphe aus dem Sarg identifizierte.
Die Leiche
muss nahe einem Teich gelegen haben. Wahrscheinlich
direkt am Ufer   … Sie werden nicht umsonst Sumpflibellen
genannt.
    «Jedenfalls haben wir nun ein paar Hinweise mehr», fuhr Jacobsen fort und steckte die Fotos zurück in den Hefter. «Selbst
     ohne Zulassungsnummer können wir eine Beschreibung des Krankenwagens herausgeben. Das engt die Suche wenigstens ein bisschen
     ein.»
    Aber nicht genug.
York hatte einen zu großen Vorsprung, um dorthin zu gelangen, wo er hinwollte. Selbst wenn er die Staatsgrenze nicht überquert
     hatte, gab es Hunderte Quadratmeilen Berge und Wälder, in denen er sich verstecken konnte.
    Und Sam.
    Als ich Jacobsen anschaute, konnte ich ihr ansehen, dass sie sich ähnliche Gedanken machte. Obwohl wir beide kein Wort sagten,
     wussten wir, dass wir der gleichen Auffassung waren.
Es war zu spät
. So unangebracht es auch war, in diesem Moment fiel mir auf, wie nah beieinander wir standen und wie sich nach dem langen
     Tag ihr Körpergeruch mit dem leichten Parfümduft vermischte, den sie immer verströmte. Die plötzliche Verlegenheit zwischen
     uns sagte mir, dass auch sie sich dessen bewusst war.
    «Ich gehe lieber wieder zurück zu Paul», sagte ich und trat einen Schritt zurück.
    Sie nickte, doch ehe einer von uns noch etwas sagen konnte, ging die Küchentür auf, und Gardner kam herein. Ein |336| Blick in sein zerfurchtes Gesicht genügte, und ich wusste, dass etwas geschehen war.
    «Wo ist Dr.   Avery?», fragte er Jacobsen, als wäre ich nicht da.
    «Im Wohnzimmer.»
    Ohne ein Wort verschwand er wieder. Jacobsen ging hinter ihm her, ihr Gesicht zeigte keine Gefühlsregung mehr. Als ich ihr
     folgte, kam mir die Luft plötzlich kalt vor.
    Paul schien sich nicht gerührt zu haben, seit ich ihn allein gelassen hatte. Er saß noch immer zusammengekauert im Sessel,
     den Kaffeebecher auf dem niedrigen Tisch neben ihm hatte er offenbar nicht angerührt. Kaum sah er Gardner, versteifte er sich,
     als würde er jeden Moment einen Hieb erwarten.
    «Haben Sie sie gefunden?»
    Gardner schüttelte schnell den Kopf. «Noch nicht. Aber uns wurde ein Unfall auf dem Highway 321 ein

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