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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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von einer Sache bekamen. Die uniformierten Polizisten aus dem Streifenwagen sorgten
     dafür, dass die Medienleute vom Grundstück fernblieben, doch innerhalb kürzester Zeit war die ganze Straße mit weiteren Nachrichtenteams
     und ihren Fahrzeugen verstopft.
    Paul schien kaum Notiz davon zu nehmen. Im Tageslicht konnte man sehen, wie schrecklich grau und zerfurcht sein Gesicht war.
     Er igelte sich zunehmend ein und versank in seinem Leid. Nur wenn das Telefon klingelte, wurde er lebendig. Jedes Mal sprang
     er auf und nahm erwartungsvoll den Hörer ab, nur um einen Moment später in sich zusammenzusacken, weil es erneut ein Freund
     oder ein aufdringlicher Journalist war. Nachdem er ein paar Worte gestammelt hatte, legte er auf und zog sich wieder in sein
     Schneckenhaus zurück. Ich fühlte mit ihm, denn ich wusste nur zu gut, was er gerade durchmachte.
    Aber nichts, was ich hätte tun können, hätte ihm geholfen.
    Erst kurz vor Mittag veränderte sich die Situation. Auf den Tellern vor uns verkümmerten die Reste unserer Sandwiches. Meins
     war halb aufgegessen, Pauls unangetastet. Allmählich begann ich zu denken, dass ich ins Hotel zurückfahren sollte. Hier konnte
     ich nichts tun, außerdem sollten |341| Sams Eltern in ein paar Stunden eintreffen. Als das Telefon erneut klingelte, griff Paul sofort danach, aber dann sah ich,
     wie er die Schultern hängen ließ, und wusste, dass es nicht Gardner war.
    «Hi, Mary. Nein, habe ich nicht   …» Er verstummte und wirkte plötzlich hellwach und angespannt. «Auf welchem Sender?»
    Er ließ das Telefon fallen und griff nach der Fernbedienung des Fernsehers.
    «Was ist los?», fragte ich.
    Er hörte mich nicht. Kaum war der Fernseher an, schaltete er durch die Programme, von einem Bild zum anderen, bis er plötzlich
     innehielt. Eine junge Frau mit Haarsprayfrisur und knallrotem Lippenstift sprach aufgeregt in die Kamera.
    «…   gerade wurde bekannt, dass in der Nähe Gatlinburgs
auf dem Gebiet des Great-Smoky-Mountains-Nationalparks
ein verlassener Krankenwagen gefunden worden ist   …»
    Paul hörte mit großen Augen und offenem Mund zu.
    «…   wo genau der Wagen gefunden wurde, war nicht zu
erfahren, außerdem wollte das TBI nicht bestätigen, dass
es sich dabei um das Fahrzeug handelt, das gestern bei
der Entführung von Samantha Avery benutzt wurde, der
schwangeren Zweiunddreißigjährigen aus Blount County.
Über den Verbleib der Vermissten gibt es noch keine Informationen
, unbestätigten Berichten zufolge soll der Krankenwagen
jedoch bei einem Zusammenstoß beschädigt worden
sein   …»
    Die Sprecherin fuhr atemlos fort, während ein Foto von York auf dem Bildschirm erschien, doch Paul griff bereits nach seinem
     Telefon. Ehe er eine Nummer wählen konnte, klingelte es.
Gardner
, dachte ich sofort und sah meine Vermutung in Pauls Miene bestätigt.
    |342| «Haben Sie sie gefunden?», wollte er wissen.
    Gardners Antwort schien ihn zu ernüchtern. In der Stille konnte ich blechern und undeutlich die Stimme des TB I-Agenten hören. Paul hörte gequält und angespannt zu.
    «Und warum erfahre ich das aus dem Fernsehen? Herrgott nochmal, Sie wollten mich anrufen, wenn es Neuigkeiten gibt! Ist mir
     scheißegal, rufen Sie einfach an, okay?»
    Er legte auf. Er hatte mir den Rücken zugewandt und versuchte sich zu beherrschen, bevor er sprach.
    «Der Krankenwagen ist vor einer halben Stunde auf einem Rastplatz in der Nähe der I-40 gefunden worden», sagte er langsam.
     «Sie glauben, dass York einen anderen Wagen gestohlen und dann die Interstate genommen hat. Die führt quer durch North Carolina.
     Es sei denn, er ist nach Westen gefahren. Er könnte mittlerweile auf dem Weg nach New Mexico sein. Er könnte
überall
sein!»
    Er schleuderte das Telefon gegen die Wand, an der es zerschellte und in Einzelteilen zu Boden krachte.
    «Mein Gott, ich ertrage das nicht! Ich kann nicht die ganze Zeit hier rumsitzen!»
    «Paul   …»
    Aber er marschierte bereits zur Tür. Ich folgte ihm in die Diele.
    «Wohin willst du?»
    «Mir den Krankenwagen anschauen.»
    «Warte einen Augenblick, Gardner wird   …»
    «Scheiß auf Gardner!» Er wollte die Haustür öffnen. Ich legte eine Hand darauf. «Geh mir aus dem Weg, David!»
    «Hör mir bitte mal zu! Wenn du jetzt rausgehst, werden dir die ganzen Fernsehteams folgen. Willst du das?»
    Das ließ ihn innehalten.
    «Gibt es auf der Rückseite des Grundstücks eine Straße?», |343| fuhr ich schnell fort, solange

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