Leichendieb
sichergestellten Drogen zurückgeben. An dieser Stelle wurde mir mulmig, nicht im Traum kam mir in den Sinn, Sulamita mit in die Angelegenheit hineinzuziehen. Als Erstes schoss mir durch den Kopf, was für ein Idiot ich doch gewesen war, wie hatte ich Moacir nur vertrauen können? Man denkt, der Teufel kommt durch die Hintertür, mit den Feinden, aber in Wahrheit sind wir selbst es, die ihm die Tür öffnen, wenn wir jemandem vertrauen. Der blöde Indio. Plaudertasche. Wie heißt noch gleich deine Frau? fragte Ramírez. Exfrau, antwortete ich. Ex, wiederholte ich, wir sind getrennt, wir waren eigentlich auch nie verheiratet, nur zusammen. Sie war Verwaltungsgehilfin auf der Polizeiwache, aber jetzt arbeitet sie im Leichenschauhaus, erklärte ich. Ach so, dann haben sie dich also deshalb geschnappt, folgerte Ramírez. Ich will dir mal was sagen, Porco: Du hättest dich nicht von ihr trennen sollen. Keine Frau kriegt gerne einen Tritt in den Hintern. Sie hat dich verpfiffen. Das ist es gewesen. Ich habe niemandem einen Tritt in den Hintern verpasst, erwiderte ich, und ich bin auch nicht geschnappt worden. Sie haben Moacir verhaftet, nicht mich.Mir ist scheißegal, was passiert ist, sagte Ramírez. Du bist für mich ein Verlustgeschäft.
Ramírez redete, ohne mich anzuschauen, blickte nur in den Spiegel, den er in den Händen hielt. Vorne war sein Haar bereits eine Bürste wie aus dem Bilderbuch, aber hinten, wo es noch nicht geschnitten war, sah es aus wie der Flügel eines Geiers.
Bedenk doch, in was für eine Lage du mich bringst, Porco. Du bist gekommen und hast zehn Kilo in Kommission mitgenommen. Fünf, erwiderte ich. Zehn, beharrte er. Zu unserer Verabredung gehörte, die anderen fünf in Corumbá zu übergeben. Das ist nicht erfolgt. Zweimal hat mein Mitarbeiter versucht, die Drogen abzuholen, die nach Araraquara gebracht werden sollten, aber Moacir war nicht da. Und nun erzählst du mir, dass die gesamte Menge sichergestellt worden ist. Und dass du nicht zahlen kannst. Wenn deine Freundin uns verpfiffen hat, sagte er. Jetzt mach mal halblang, unterbrach ich ihn, sie hat niemanden verpfiffen. Ich erzählte ihm von dem Streit zwischen Moacir und seiner Frau. Deswegen ist die Polizei gekommen, wiederholte ich, es hat keine Anzeige gegeben. Natürlich hat es das, antwortete er. Es war deine Freundin.
Nun schien der Rasierer in meinem Kopf zu surren und meine Gedanken zu stutzen. Ich schwitzte, mein Diensthemd war schweißdurchtränkt, ich würde kurz nach Hause müssen, ehe ich zu den Berabas zurückfuhr, überlegte ich.
Fassen wir zusammen, sagte Ramírez. Erstens: Moacir soll die Klappe halten, weil ich mir andernfalls Sorgen um sein Leben mache. Ich habe gehört, dass Typen, die viel quatschen, in der Zelle aufgehängt werden. Das ist schade, kommt aber vor. Zweitens: Ihr schuldet mir fünfzigtausend Dollar. Dreißig fürdie Ware und zwanzig für den Verlust. Und drittens: Ich gebe dir einen Monat und keinen Tag länger, um die Schulden zu begleichen. Ich bin nett zu euch. Ich mag Moacir. Viertens: Damit das ganz klar ist, Porco, du Niete: Wenn du nicht zahlst, komme ich zu dir nach Hause und mache dich fertig, dich und deine Freundin, ihre Verwandten und Moacirs Familie. Dann sind wir quitt. Und jetzt, sagte er, verschwinde, ich will mir in Ruhe die Haare schneiden lassen.
Zurück auf der Straße fühlte ich mich völlig entmutigt, du bist geliefert, Over. Wo sollte ich fünfzigtausend Dollar auftreiben? Ich verspürte ein großes Bedürfnis danach, mit Rita in einem Boot zu sitzen, dem Rauschen des Wassers zu lauschen, wo mochte sie wohl sein?
Im Radio meldeten sie, die Engländerin N. K., Kassiererin in einem Supermarkt, habe soeben in der Lotterie zwei Millionen Pfund gewonnen, das machte in unserer Währung fast acht Millionen. Schade, dachte ich, dass das N. K. und nicht mir passiert war. Die richtig schlimmen und die richtig guten Dinge passieren nur den anderen, dachte ich. Nur die anderen werden vom Rotorblatt eines Helikopters geköpft. Nur die anderen verlieren fast alles an der Börse. Zum Ausgleich machen auch nur die anderen die großen Gewinne an der Börse. In der Lotterie. Nur sie. Das Leben, das sind die anderen, dachte ich. Sie. Wir, der Rest, bleiben zurück und sehen und hören von ihrem Leben in der Regenbogenpresse und in den Nachrichten im Fernsehen.
Mein einziger Ausweg, dachte ich, während ich einen altersschwachen Laster überholte, mein einziger Ausweg ist Dona Lu. Und was,
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