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Leichendieb

Leichendieb

Titel: Leichendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrícia Melo
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gewisse Absicht erkennen, die mir bekannt war, ein Anflug von Ritas Grinsen, ein berechnendes Grinsen, das Grinsen einer Hure, die keinen schäbigen Centavo wert ist.
    Als Rita entlassen wurde, holte Sulamita sie im Krankenhaus ab. Ich hatte haufenweise Arbeit bei den Berabas, DonaLu musste von einem Arzt zum anderen kutschiert werden, nicht nur in Corumbá, sondern auch in Campo Grande, und stets begleitete ich sie. Bei Ihnen fühlt sie sich sicher, hatte der Fazendeiro mir gesagt. Tatsächlich hielt er es nicht mehr aus, der liebe José. Er konnte nicht mit ansehen, wie seine Frau bei lebendigem Leib von den Würmern seines toten Sohnes aufgefressen wurde. Selbst die Polizei, die zuvor behauptet hatte, sie würde den Jungen finden, entweder ihn oder seine Leiche, machte ihnen keine Hoffnungen mehr. Sie rechneten inzwischen wohl damit, dass Júnior im Fluss verschwunden war. Und José Beraba ertrug es nicht, noch länger zu leiden. Er ertrug es nicht, seine Frau leiden zu sehen. Er ging auf die Fazenda und überließ seine vor sich hinsterbende Frau Dalva und mir. Tag für Tag gab es ein neues gesundheitliches Problem, einen Schmerz im Nacken, einen Schmerz an der Schläfe, Schmerzen gleichzeitig im Nacken und an der Schläfe, eingeschlafene Arme, Fühllosigkeit in den Beinen, Herzrhythmusstörungen, Erbrechen, immerzu neue Symptome. Und neue Ärzte. Ich wusste, falls Júnior auftauchte, und sei er tot, die Krankheiten würden vergehen. So war es auch bei meiner Mutter gewesen. Am Anfang ist die Krankheit bloß eine Einbildung, eine Form des Körpers, die Seele zu erpressen, aber mit der Zeit wird daraus ein wahrhaftiger Krebs. Das war bei meiner Mutter so geschehen, vor meinen Augen. Bauchspeicheldrüsenkrebs. Metastasen. Dona Lu selbst hatte mir erzählt, ihr Leben in den vergangenen siebenundzwanzig Jahren habe aus der Liebe zu diesem Sohn bestanden. Alles andere war nebensächlich. Gott möge mir verzeihen, sagte sie, aber nach der Geburt meines Sohnes ist sogar er, der Allmächtige, zweitrangig geworden. Zuerst kam mein Sohn und dannder Rest. Dann erst kam Gott. Dann mein Mann. Dann das Andenken an ihre geliebten Eltern. Und dann sie selbst. Was soll aus mir werden?, fragte sie Dalva mitten in der Nacht, wenn die Köchin ihr während der Reisen des Hausherrn Gesellschaft leistete. Ihr Übel, das noch keine Krankheit, nur ein Symptom war, aus dem aber in der Zukunft Krebs werden würde, hieß: Wo ist mein Sohn? Ich will meinen Sohn zurück. Bringt mir meinen Sohn wieder. Das war das Problem.
    Ich hatte keinen Kopf, um an Rita zu denken. Was sollen wir mit ihr machen?, fragte Sulamita mich, als Rita aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Sie ist alt genug, erwiderte ich, sie kommt schon zurecht.
    Aber als ich abends zu Sulamita nach Hause kam, konnte ich es kaum fassen: Da saß Rita mit ihrem Piranhagesicht und den abgeblätterten rot lackierten Fingernägeln mit meiner Familie am Tisch beim Abendessen. Mit meinem Schwiegervater und meiner Schwiegermutter. Und mit meiner Schwägerin.
    Rita wurde von ihnen so liebevoll wie nur möglich aufgenommen und behandelt. Mit der allergrößten Rücksicht. Rita schlief bei Regina im Zimmer und bekam ein Bett und frisch gewaschene Wäsche. Sie muss ordentlich essen, sagte Sulamitas Mutter. Und flößte Rita Brühe ein.
    Das machte mich schier wahnsinnig.
    Eines Tages nutzte ich die Gelegenheit, als wir beide alleine im Wohnzimmer waren und sagte zu Rita, hör zu, wenn es stimmt, was du da redest, und das Kind ist von mir, dann lass dir gesagt sein, ich werde mich nicht dazu bekennen. Hier hast du Geld, lass dir das blöde Balg wegmachen oder tu, was du willst, aber bekomm es weit weg von mir. Du hast keinRecht, erst Carlão das Leben zu versauen und dann mir. Dein Projekt, uns reihenweise das Leben zu versauen, ist beendet. Du kannst dich als Siegerin betrachten, erklärte ich.
    Ich sagte all das in der Hoffnung, Rita würde mir eine weitere Ohrfeige verpassen, das Geld auf den Boden werfen, aber sie reagierte nicht. Sie war kaum wiederzuerkennen. Und Ritas Lachen? Wo war es geblieben?
    Sie versucht, dich reinzulegen, Over. Damals fing dieses komische Gefühl an, sich bei mir bemerkbar zu machen, es war, als ob mein inneres Funkgerät, das in mir entstanden war, als ich im Telefonmarketing arbeitete, als ich den ganzen Tag lang beim Zuhören Over sagte, es war, als ob dieses innere Funkgerät auf einmal funktionierte und mir unabhängig von meinem Willen Dinge eingab. Ein

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