Leichendieb
Meine Arbeit im Telefonmarketing wieder aufnehmen. Neue Produkte verkaufen, die keiner haben will.
Ich verspürte ein merkwürdiges Gefühl, das von tiefer Verzweiflung in trügerische Ruhe umschlug; kaum hatte ich mich endlich etwas entspannt, war ich auch schon wieder nervös, ging hinaus auf die Straße, rauchte eine Zigarette, lief bis zur Ecke, versuchte, dieses beklemmende Gefühl loszuwerden, dachte, das Schlimmste wäre, dass Ramírez mich umbrachte, ich verhaftet würde oder nach São Paulo zurückkehrte. In die Anti-Stadt. Die Gegen-Stadt hatte mich in ein Gegen-Ich verwandelt. Das imstande war, Angestellte zu ohrfeigen. Trotzdem, es war eine Möglichkeit. Abgesehen davon gab es, selbst wenn sie hinter mir her wären und mich festnähmen, auch fürdas Pech eine Grenze. Sie, das heißt Ramírez und die Polizei, konnten mich nicht zweimal festnehmen und mich auch nicht zweimal töten, sagte ich mir, das wäre dann auch schon alles, entweder Gefängnis oder Tod, so als wären Gefängnis und Tod lediglich Wörter ohne Bedeutung. So beschwichtigte ich mich selbst. Und dann plötzlich war es, als erwachte ich aus einem Zustand der Verwirrtheit und begriff genau, was es bedeutete, verhaftet zu werden und zu sterben. Oder nach São Paulo zurückzugehen.
Am Samstagmorgen fuhr ich mit Serafina zum Supermarkt, kaufte rohen Schinken, Brot, Kekse und Zigaretten, und anschließend machten wir uns auf den Weg ins Gefängnis, um Moacir zu besuchen.
Er war noch niedergeschlagener als bei meinem ersten Besuch und sehr besorgt wegen der Kinder. Seine Mutter musste ihm versprechen, dass sie auf die Kinder aufpassen würde. Lass nicht zu, dass Eliana sie schlägt, sagte er, Eliana ist sehr nervös. Serafina wollte verstehen, was los war, und stellte viele Fragen. Mutter, antwortete er, es hilft nichts, wenn ich es dir erkläre, bitte kümmere dich einfach um die Kinder, mehr nicht.
Am Ende bat er seine Mutter, uns einen Moment alleine zu lassen und erzählte mir, dass es Eliana gewesen war, die ihn verraten hatte. Woher weißt du das?, fragte ich. Sie selbst hat es mir gesagt, sie war gestern hier. Weiß Eliana über mich Bescheid?, fragte ich. Nein, erwiderte er, natürlich nicht. Sie hat die verpackten Drogen bei mir in der Werkstatt gesehen, und als wir uns gestritten haben und die Polizei kam, hat sie mich verpfiffen. So war es.
Und dann wurden seine Augen rot; er bemühte sich, nichtzu weinen, während er mir erzählte, wie Eliana ihm wortreich bestätigt hatte, dass sie ihn verraten hatte, weil sie ihn hasste, sie hat gesagt, ich widere sie an, fuhr er fort, ich sähe aus wie ein dreckiges Schwein zwischen den ganzen Fahrrädern. Ist Schmieröl vielleicht etwas Schmutziges?
Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, vielleicht hat sie es nicht so gemeint, sagte ich auf gut Glück. Es ist Schmieröl, wiederholte er. Ich versuchte, ihn zu beruhigen, sagte, ich würde mit Sulamita reden, sehen, wie ich einen Anwalt besorgen könnte, aber er antwortete, das sei nicht nötig, er habe bereits alles geregelt. Wie?, fragte ich. Ein Freund von mir, du kennst ihn nicht. Ich bestand darauf, dass er mich in die Sache nicht mit hineinzog. Bist du verrückt geworden?, fragte er. Wer soll sich dann um meine Kinder kümmern? Um meine Mutter? Ich zähle auf dich, sagte er.
Seine Antwort brachte mich in die Klemme. Mich um Moacirs Familie zu kümmern, gehörte nicht unbedingt zu meinen Plänen, und so wie die Dinge lagen, wäre der Preis für meine Freiheit eine Art Heirat mit Eliana. Die Verantwortung für ihre Kinder.
Lass es ihnen an nichts fehlen, bat er.
Natürlich nicht, bekräftigte ich. Niemals.
Ich ging, zusammen mit der verwirrten Serafina, die mir noch mehr Fragen stellte.
Zu Hause angekommen, begegneten wir Eliana, die gerade mit den kleinen Indiokindern vom Markt zurückkam, jedes mit einem Stück Gebäck in der Hand. Ich fragte, ob sie irgendetwas brauchten; sie sagte, das Einzige, was sie sich wünsche, sei, Serafina loszuwerden. Ich kann die Alte nicht länger bei mir im Haus behalten, erklärte sie.
Ich nahm Serafina zum Mittagessen mit zu einem Laden in der Nähe, aber keiner von uns rührte seinen Teller an.
Später rief ich bei Sulamita an. Was ist los?, fragte mein Schwiegervater am anderen Ende der Leitung. Sie ist so komisch, sagte er. Wortkarg. Komm vorbei und wir reden, fuhr der Alte fort, wer weiß, vielleicht kann ich euch helfen? Ich bin ein guter Ratgeber. Und dein Freund. Übrigens wollte
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