Leichendieb
ich dich um einen Gefallen bitten, setzte er hinzu. Zwischen Vater und Sohn. Ein Vorschuss, sagte er, als ob ich sein Arbeitgeber wäre. Es hat sich da nämlich eine Gelegenheit ergeben, den Käfer von meinem Nachbarn zu kaufen, erklärte er. Ist heute nicht drin, Schwiegervater. Und sag Sulamita, dass ich angerufen habe. Over.
Den Rest des Tages verbrachte ich in meinem Zimmer, mit Serafina an meiner Seite, die still Strohzöpfe vor sich hin flocht, und in manchen Momenten hatte ihre Gegenwart sogar etwas Tröstliches. Wenn ich ab und an die Augen schloss, nahm mein Plan allmählich Formen an, Over, wie eine Riesenwelle, die von einem Riss in meinen tektonischen Platten in der tiefsten und schwärzesten Tiefe meines Ozeans ihren Ausgang nahm und an Stärke und Raum gewinnend heranrollte. Das Argument weiterzumachen, war ebenfalls stark: Wenn ich reich gewesen wäre, als mein Vater verschwand, und wenn damals jemand angerufen und mir ein Tauschgeschäft vorgeschlagen hätte, mein Geld gegen den Leichnam meines Vaters, ich hätte nicht eine Sekunde lang gezögert. Ich hätte gezahlt. Mein Plan als solcher würde Dona Lu überhaupt nicht schaden. Geld hatte sie im Überfluss. In gewisser Hinsicht würde ich der Familie sogar einen Gefallen tun, da die Toten eben erst mit dem Begräbnis endgültig sterben und uns in Friedenlassen. Das Problem, Over, war die Leiche. Woher eine Leiche bekommen?
Der Sonntag war schlimmer als der Samstag. Sulamita ging nicht ans Telefon. Wegen der Hitze fühlte ich mich abgestumpft, teilnahmslos und schwerfällig.
Serafina kam mit kalter Fischbrühe zu mir. Während ich sie im Bett trank, brachte mir die Indiofrau zum ersten Mal einen Ausdruck auf Guató bei, infâni , der so viel bedeutete wie: Es ist schlimm, erklärte sie.
Ich stand erst gegen drei Uhr auf, als Dalva anrief und fragte, ob ich Seu José vom Flughafen abholen könnte.
Unterwegs erzählte mir der Fazendeiro von den großen Sorgen, die er sich wegen Dona Lus Gesundheit machte. Tief im Inneren, sagte er, weiß ich, dass Júnior tot ist, aber sie wird es erst glauben, wenn sie die Leiche unseres Sohnes sieht. Das Wort Leiche machte mir Mut. Du musst schnell handeln, Over.
Als ich nach Hause kam, waren die kleinen Indios bei mir im Zimmer und spielten Verstecken. Ich schickte sie hinaus und legte mich hin, in meinem Kopf brodelte es vor Ideen.
Dann, um sieben Uhr, hörte ich Lärm auf der Treppe.
Ich rannte hin, um die Tür aufzumachen, und sah Sulamita auf mich zukommen.
Als ich sie in die Arme schloss, merkte ich an dem sauren Geruch in ihren Kleidern und ihrem Haar, dass sie aus dem Leichenschauhaus kam.
Sie nahm mich bei der Hand und sagte, sie müsse mir etwas zeigen. Etwas sehr Wichtiges.
Infâni , dachte ich, während wir zu meinem Wagen gingen.
21
Sulamita zog das Laken weg und entblößte Moacirs nackten Leichnam auf der Bahre des Obduktionssaals.
In jäher Panik wich ich einen Schritt zurück, ohne die Augen von dem grob genähten Schnitt abwenden zu können, der am Schambein begann und auf Höhe der Brust endete. Das war es, wovor ich mich fürchtete, Over. Auch die Beine waren aufgeschnitten und genäht worden. Das ist eine übliche Vorgehensweise bei der Autopsie von Menschen, die gewaltsam ums Leben gekommen sind, erklärte Sulamita.
Ich konnte mich vor Übelkeit kaum auf den Beinen halten. Das ist das Ende, dachte ich und stützte mich an der Wand ab.
Eliana weiß es noch nicht, sagte Sulamita. Und während sie mir erzählte, dass Moacir in seiner Zelle erhängt an einem an den Querstreben des Belüftungsfensters befestigten Laken aufgefunden worden war, schoss mir nur ein Gedanke durch den Kopf: Ich würde der Nächste sein.
Es ist heute Vormittag passiert, fuhr Sulamita fort, als die Gefangenen draußen waren.
Sie werden mich umbringen, sagte ich. Das ist eine Botschaft, sie ist für mich bestimmt.
Was glaubst du, woran ich gedacht habe, als ich Moacir auf der Bahre hier liegen sah?, erwiderte sie. An dich und an alles, was du mir gestern erzählt hast. Ich sollte bei der Obduktion eigentlich gar nicht dabei sein. Mein Bereitschaftsdienst warpraktisch beendet. Ich habe Rosana, die Rechtsmedizinerin, gebeten, dass sie mich bei ihrer Arbeit zuschauen lässt. Mehr noch, sagte sie, ich habe Joel angerufen und ihn gebeten, Moacirs Ermittlungsakte lesen zu dürfen.
Ich fragte Sulamita, ob man einen Selbstmord nicht auch vortäuschen könne. Vielleicht, sagte ich, vielleicht hat jemand das Laken an
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