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Leichendieb

Leichendieb

Titel: Leichendieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrícia Melo
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Sulamita, das geht dich überhaupt nichts an.
    Sie kann sich doch nicht so benehmen, erklärte ich. Nicht vor allen Leuten.
    Du gehörst nicht zur Familie.
    Aber ich bezahle die Beerdigung, beharrte ich, den Sarg, die Blumen, die Grabstelle. Sie könnte dem Verstorbenen wenigstens Respekt erweisen.
    Ich hatte wohl zu laut gesprochen, denn Eliana und Alceu blickten jetzt zu mir herüber. Lass uns einen Kaffee trinken gehen, sagte Sulamita.
    Ich hatte schon die ganze Nacht über Kaffee getrunken. War vollgepumpt mit Kaffee, nervös, sauer. Und hatte Kopfschmerzen.
    Wir gingen hinaus, und der feine Sprühregen erfrischte mich merklich.
    Siehst du die Typen da?, fragte ich. Beim Laternenpfahl.
    Was ist mit ihnen?
    Ich habe sie noch nie hier im Viertel gesehen.
    Du machst mich ganz nervös, erwiderte Sulamita.
    Ich ließ sie weiterreden und ging wieder in Moacirs Haus, weckte Serafina und lotste sie zum Fenster. Die Leute kenne ich, sagte sie, sie wohnen hier im Viertel.
    Als ich zurück vor die Tür ging, erklärte Sulamita, ich solle mich beruhigen.
    Warum glaubst du mir nicht?, fragte ich.
    Mein Gott, er hat sich umgebracht, sagte sie. Wie oft soll ich denn noch wiederholen, dass er nicht ermordet worden ist,sondern sich umgebracht hat. Moacir saß in der Klemme und hat sich das Leben genommen, so und nicht anders ist es gewesen.
    Aber ich bin in Gefahr, beharrte ich. Sie wollen mich töten. Und wenn ich sterbe, wenn ich plötzlich tot bin, dann sag nicht, dass ich dich nicht gewarnt habe.
    Um zehn Uhr fuhren wir los, hinter dem schwarzen Leichenwagen her, der Moacirs Sarg transportierte. Genau in dem Moment ging ein sintflutartiger Regen über der Stadt nieder.
    Auf dem Friedhof hatten nur Eliana, Alceu und die Kinder einen Regenschirm. Die anderen, es waren tatsächlich nur wenige, sahen im Regen zu, wie der Totengräber den Leichnam in ein Schlammloch hinunterließ.
    Nach der Beerdigung sah ich, wie Eliana mit den Kindern an Alceus Seite davoneilte. Serafina folgte ihr, doch dann plötzlich hörte ich, wie Eliana sie barsch anfuhr.
    Ich ging hin und fragte, ob es irgendein Problem gebe.
    Sie passt nicht mit ins Auto, sagte Eliana. Drehte sich um und ging von dannen, die Witwe. Die lustige Witwe in Person.
    Ehe ich vor der Fahrradwerkstatt parkte, bat ich Serafina, sich umzuschauen, sieh genau nach, sagte ich, ob irgendwo ein Fremder ist, Over. Hinter dem Wagen. Schau dort nach. Auf der anderen Straßenseite, sagte ich. An der Ecke. Es wäre nicht verkehrt, mir eine Waffe zu besorgen, überlegte ich, als ich hektisch aus dem Pick-up stieg.
    Ich rief Dalva an und sagte Bescheid, dass ich nicht zurück zur Arbeit kommen würde, und verbrachte den Rest des Tages im Bett. Vieles in meinem Kopf war noch konfus. Vielleicht sollte ich bei den Berabas kündigen. Um später, zum entscheidendenZeitpunkt, keinen Verdacht zu erregen. Das Problem ist, dass die Dinge von außen betrachtet, Over, anders aussehen. Man übersieht die Feinheiten, das Schlüsselloch. Außerdem könnte ein plötzliches Ausscheiden Verdacht erregen. Vielleicht würde später ein Fahnder aus dem Pantanal, ein gestiefelter Joel mit Hut, sagen, merkwürdig, dass der Chauffeur der Berabas ausgerechnet in dem Moment gekündigt hat. Aber natürlich könnte auch das Gegenteil passieren, und ich könnte mich verdächtig machen, weil ich nicht gegangen, sondern geblieben war. Weil ich der Freund von Sulamita war. Ausgerechnet von Sulamita, die das Leichenschauhaus leitet. Deshalb, so sagte ich mir, muss ich mit Kalkül vorgehen, ehe ich handle. Pro und Kontra gegeneinander abwägen. Aber es gibt etwas, das sich in Wahrheit nicht messen lässt.
    Bei jedem Flugzeugunglück muss ich an die Menschen denken, die zu früh zum Flughafen kommen und die Möglichkeit haben, ihre Reise vorzuverlegen. Sie würden wohl kaum einen sicheren Flug gegen den eintauschen, mit dem einhundertachtundneunzig Passagiere in den Ozean stürzen. Das schlimmste Flugzeugunglück aller Zeiten, werden die Fachleute verkünden. Aber die Dinge können auch genau andersherum laufen, und man stirbt gerade deshalb, weil man seinen Flug nicht vorverlegt hat. Weil das mit einem X gekennzeichnete Flugzeug dieses und nicht jenes war. Und es gibt noch schlimmere Varianten. Vielleicht ist es unsere Anwesenheit, die den Flugzeugabsturz bewirkt. Vielleicht ist unser Schicksal in unseren genetischen Code eingeschrieben. Vielleicht will Gott tatsächlich nur mit einem abrechnen, und alle anderen sterben nur

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