Leichenfresser - Thriller
Dane Gracos Beisetzung. Er wirkte gebrochen, gepeinigt. Auf absurde Weise sah es beinahe so aus, als lache er, statt zu weinen, weil keine Geräusche nach draußen drangen. Aber der gequälte Ausdruck in seinen Augen verriet unmissverständlich, dass der Mann unglaublich litt.
Doug wich vom Fenster zurück. Irgendwie fühlte es sich falsch an, den Vater seines besten Freundes in einem so privaten und düster intimen Moment zu beobachten. Irgendetwas stimmte eindeutig nicht, worum es sich auch handeln mochte, Doug würde es wohl erst am nächsten Tag erfahren. Nun konnte er es unmöglich noch riskieren, Timmy zu wecken. Und zu Barry zu gehen kam aus offensichtlichen Gründen nicht infrage. Er konnte nicht nach Hause, er konnte die Nacht nicht bei seinen Freunden verbringen. Daher blieb ihm nur eine Möglichkeit.
Der Bunker.
Seufzend holte Doug sein Fahrrad. Ohne zu strampeln, ließ er sich die Auffahrt hinab auf die Anson Road rollen. Als er sich außer Hörweite befand, begann er, kräftig in die Pedale zu treten.
Als er den Friedhof erreichte, verlangsamte er die Fahrt. Obwohl er dort schon oft nach Einbruch der Dunkelheit gespielt hatte, fühlte sich der Ort nachts unheimlich an. Noch unheimlicher als Bowmans Wald. Vor allem, da Doug alleine war. Leichte Nebelschwaden kräuselten sich in Bodennähe um die Grabsteine und Baumstämme. Der volle, helle Mond schien am Himmel erstarrt zu sein und spendete Licht, aber keine Wärme. Anders als in Bowmans Wald und im Rest der Umgebung herrschte auf dem Friedhof Totenstille. Keine Grillen zirpten. Keine Vögel sangen. Nicht einmal eine Eule oder eine Nachtschwalbe. Es war merkwürdig, fast so, als hielte Mutter Natur den Atem an.
Der Friedhof fühlte sich leer an.
Trotz der Wärme und der hohen Luftfeuchtigkeit fröstelte Doug.
Schwer atmend und heftig schwitzend kämpfte er sich den Hügel hinauf. Das Fahrrad schien schwerer als sonst zu sein und er wünschte, er hätte in den Beinen genug Kraft, um hinaufzuradeln, statt zu schieben. Er mied es, sich Barrys Haus zu nähern, und bog stattdessen von der Straße in den alten Abschnitt des Friedhofs ab. Obwohl es nach wie vor bergauf ging, fiel ihm das Gehen hier leichter. Der Boden war weicher, Tau drang durch seine Schuhe und kühlte seine Füße.
Als er die Kuppe des Hügels erreichte, legte er eine Pause ein, um zu Atem zu gelangen. Dann stieg er wieder auf sein Fahrrad. Links zeichnete sich in einiger Entfernung der verwahrloste Werkzeugschuppen ab. Allein der Anblick erfüllte Doug mit Beklommenheit und Traurigkeit. Die Erinnerung an diesen Vormittag war ihm noch frisch im Gedächtnis. Er bildete sich ein, Clark Smeltzers grausames, höhnisches Gelächter und seine lallenden Worte nach wie vor hören zu können, als befände sich der Mann in der Nähe. Es fühlte sich schauderhaft echt an, als wäre Mr. Smeltzer wirklich noch hier.
Und dann erkannte Doug mit einem Anflug von Panik, dass er es war.
Clark Smeltzer lehnte an einem hohen Granitdenkmal in der Nähe des Werkzeugschuppens im neueren Sektor des Friedhofs. Trotz der soliden Stütze schwankte der Mann. Einen Arm hatte er um den Stein geschlungen, mit dem anderen fuchtelte er aufgeregt umher. In der Hand hielt er eine Flasche, deren Inhalt mit jeder ruckartigen Bewegung daraus hervorschwappte. Seine Stimme klang aufgebracht – laut und wütend. Er redete mit jemandem, doch aus seinem Blickwinkel konnte Doug nicht erkennen, um wen es sich handelte.
Doug lauschte angespannt. Der Wind drehte in seine Richtung und er schnappte einen Gesprächsfetzen auf. In der Brise wehte noch etwas anderes mit – ein widerwärtiger Geruch, der dem aus dem Loch im Schuppen ähnelte. Doug vermutete, dass der Gestank von dort kam.
»Du lässt sie gefälligst da raus«, drohte Mr. Smeltzer seinem unbekannten Gesprächspartner. »Das war nicht Bestandteil der Abmachung.«
Er wankte zur Seite, klammerte sich nach wie vor an dem Gedenkstein fest. Doug erhaschte einen flüchtigen Blick auf den Fremden. Wer es auch sein mochte, er schien nackt und fast unbehaart zu sein, außer zwischen den Beinen.
Die Augen des Jungen weiteten sich. Ja, die Person, um wen es sich auch handelte, war eindeutig nackt und definitiv ein Mann. Die Haut war überaus bleich und schien ... zu leuchten?
Das konnte nicht sein.
Doug kniff die Augen zusammen und versuchte, Einzelheiten zu erkennen. Sein Herzschlag raste. Ein Kloß stieg ihm in den Hals. Sollte sich Mr. Smeltzer umdrehen oder ihn der
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