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Leichenraub

Leichenraub

Titel: Leichenraub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Jack die Schaufeln achtlos neben sie warf.
    Sie wurde keinen Deut sorgfältiger behandelt als das Werkzeug, das neben ihr klapperte, und ihr Leichnam wurde durchgeschüttelt wie irgendeine wertlose Ladung, als sie durch den eisigen Nieselregen in die Stadt zurückfuhren. Norris sah keine Veranlassung, das Wort an Jack zu richten, und so hüllte er sich in Schweigen und sehnte nur das Ende der Nacht herbei, damit er von der Gesellschaft dieses widerlichen Mannes erlöst wäre. Als sie sich der Stadtgrenze näherten, mussten sie die Straße nach und nach mit anderen Fuhrwerken und Kutschen teilen. Die anderen Fuhrleute winkten im Vorbeifahren; der eine oder andere grüßte auch und wechselte ein paar Worte unter Leidensgenossen. In so einer Nacht jagt man keinen Hund vor die Tür, wie? Wieso musste es auch uns erwischen? Morgen früh kriegen wir Glatteis, wart’s ab! Jack erwiderte die Grüße gut gelaunt und verriet nicht die geringste Unruhe angesichts der verbotenen Last, die er beförderte.
    Als sie in die gepflasterte Gasse hinter der Apotheke einbogen, pfiff Jack fröhlich vor sich hin. Zweifellos dachte er schon an das Bargeld, das bald seine Taschen füllen würde. Rumpelnd kam das Fuhrwerk auf dem Kopfsteinpflaster zum Stehen. Jack sprang vom Wagen und klopfte an die Hintertür der Apotheke. Einen Augenblick später wurde geöffnet, und Norris sah das Licht einer Lampe durch den Türspalt schimmern.
    »Wir haben eine«, sagte Jack.

    Die Tür wurde ganz geöffnet, und sie erblickten einen bärtigen, korpulenten Mann mit einer Lampe in der Hand. Um diese Stunde war er bereits im Schlafrock. »Nun, bringen Sie sie herein. Aber seien Sie bloß leise.«
    Jack spuckte auf die Straße und wandte sich an Norris. »Na, nun mach schon. Trag sie rein!«
    Norris hob die in die Plane gehüllte Leiche vom Wagen und trug sie durch die offene Tür. Der Mann mit der Lampe fing seinen Blick auf und begrüßte ihn mit einem Nicken. »Nach oben, Dr. Sewall?«, fragte Norris.
    »Sie kennen den Weg, Mr. Marshall.«
    Ja, Norris kannte den Weg, denn es war nicht sein erster Besuch in dieser dunklen Gasse, und es war auch nicht das erste Mal, dass er eine Leiche diese schmale Stiege hinauftrug. Das letzte Mal hatte seine Last ihn gehörig ins Schwitzen gebracht; unter Ächzen und Stöhnen hatte er den übergewichtigen Leichnam die Treppe hinaufgezerrt, dass die fetten, nackten Beine gegen die Stufen geschlagen waren. Heute Nacht war seine Last sehr viel leichter; kaum schwerer als ein Kind. Im ersten Stock angelangt, verharrte er im dunklen Flur. Dr. Sewall schob sich an ihm vorbei und ging voran. Die Dielen knarrten unter seinen schweren Schritten, und die Flamme seiner Öllampe warf flackernde Schatten an die Wände. Norris folgte Sewall durch die letzte Tür in einen Raum, wo schon ein Tisch für die kostbare Ware bereitstand. Behutsam legte er den Leichnam darauf. Jack war ihnen nach oben gefolgt und baute sich nun an einem Ende des Tischs auf. Das Geräusch seines pfeifenden Atems wirkte in dem stillen Zimmer doppelt laut.
    Sewall trat an den Tisch und schlug die Plane zurück.
    Im flackernden Schein der Lampe schien das Gesicht des Mädchens vom rosig-warmen Glanz des Lebens erfüllt. Aus den nassen Haarsträhnen sickerte das Regenwasser und rann über ihre Wangen wie glitzernde Tränen.
    »Ja, sie ist in gutem Zustand«, murmelte Dr. Sewall, als er die Plane zurückstreifte und den nackten Oberkörper freilegte.
Norris musste gegen den Wunsch ankämpfen, dem Mann in den Arm zu fallen. Mit Abscheu sah er das lüsterne Blitzen in Jacks Augen, die Begierde, mit der er sich vorbeugte, um besser sehen zu können. Norris blickte auf das Gesicht des Mädchens herab und dachte: Es tut mir so leid, dass du diese Demütigung über dich ergehen lassen musst.
    Sewall richtete sich auf und nickte. »Sie ist in Ordnung, Mr. Burke.«
    »Und Sie werden sich sicher auch gut mit ihr amüsieren«, meinte Jack grinsend.
    »Wir tun das nicht zum Amüsement«, gab Sewall zurück. »Sie dient einem höheren Zweck: dem Erkenntnisgewinn.«
    »Oh, gewiss«, sagte Jack. »Also, wo bleibt mein Geld? Ich möchte gern bezahlt werden für den ganzen Erkenntnisgewinn , den ich Ihnen verschaffe.«
    Sewall zog einen kleinen Stoffbeutel hervor und drückte ihn Jack in die Hand. »Ihr Lohn. Wenn Sie mir noch eine bringen, gibt es noch einmal die gleiche Summe.«
    »Da sind nur fünfzehn Dollar drin! Wir hatten zwanzig ausgemacht.«
    »Sie haben heute Nacht Mr.

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