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Leichenroulette - Roman

Leichenroulette - Roman

Titel: Leichenroulette - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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bestand allerdings aus Sprengstoff samt Zeitzünder. Proksch ließ es sich nicht nehmen, die Crew im Hafen von Triest höchstpersönlich mit einer köstlichen »Demel«-Torte charmant und herzlich zu verabschieden, ehe sie ins ferne China aufbrach, den fiktiven Bestimmungsort der fiktiven Uranerzmühle.
    Wenig später stach die »Lucona« in See, an einer tie fen Stelle des Indischen Ozeans fand eine mysteriöse Explosion statt, und das Schiff versank in den Fluten. Es gab sechs Tote. Prokschs Rechtsanwalt, ein kühner Mann der Tat, zauderte nicht lange. Auf Drängen seines prominenten Klienten meldete er den Verlust des Schiffes umgehend der Versicherung, wobei er unter Androhung des Rechtswegs in rüder Weise die sofortige Auszahlung der Schadenssumme in der Höhe von 212 Millionen Schilling forderte. Er räumte dafür kurzerhand eine Frist von vierzehn Tagen ein.
    Erfolg, Reichtum und Mega-Honorar zum Greifen nah, waren Klient und Rechtsvertreter geblendet. Im Vertrauen auf mächtige Gönner hatten sie bei dem mörderischen Coup eine winzige, jedoch nicht ganz unwichtige Kleinigkeit übersehen – zu dem Zeitpunkt, als sie ihre Forderungen erhoben, galt das Schiff nämlich weder als vermisst, noch lag eine offizielle Meldung vom Untergang der »Lucona« vor. Die Versicherungsgesellschaft reagierte mit kleinlichem, aber berechtigtem Misstrauen, und die Rechtsangelegenheit erfuhr, trotz langer Behinderung und Verzögerung durch mit Proksch eng befreundete Politiker, eine entschiedene Wendung zum Dramatischen. Udo Proksch wurde des mehrfachen Mordes angeklagt und verur teilt. Den Rest seines Lebens verbrachte er in der Män ner-Strafanstalt von Karlau.
    Derartig plumpe Fehler würden mir nicht passieren. Geduld, Geduld, keine Gier! Trotz großer Nervosität und schlafloser Nächte hielt ich still, bis ich nach mehr als sechs Wochen eine Aufforderung erhielt, unter Vorweis der Police bei einer namentlich genannten Referentin der »Wiener Städtischen« zu erscheinen.
    An einem schönen Frühlingstag, als ein sanftes Lüftchen über die Stadt strich, machte ich mich auf den Weg in die Innenstadt. Ruhig, gefasst und sehr korrekt in Dunkelblau fuhr ich samt allen möglichen und unmöglichen Papieren zum Gebäude der Versicherung am Schottenring. Eine ältliche Dame, der ihr Griesgram tiefe Falten in das Gesicht gezogen hatte, empfing mich in ihrem nüchternen Büro im 5. Stockwerk mit Blick auf die schmutzig grauen Gewässer des Donaukanals. In einer Ecke des kleinen Zimmers mit dem abgenützten Schreibtisch vegetierte ein kümmerlicher, fast blattloser Philodendron vor sich hin, der anscheinend weder leben noch sterben konnte. Frau Mag. Krassolter-Schlupenskys kühle stahlblaue Augen taxier ten mich stumm. Innerlich musste ich lachen: Was für ein Name! Manche kriegen nie genug!
    Dann sprach sie mir zum allzu frühen Tod meines Ehemanns ihr inniges Beileid aus. Mir wurde schnell klar, dass sie die primitive Masche »von Frau zu Frau« spielte. »Sie Ärmste, mir scheint gar, Ihr armer Mann wollte freiwillig aus dem Leben scheiden. Sie haben doch auch diesen Verdacht?«, fragte sie listig, denn die Police enthielt eine infame Klausel, wonach bei Selbstmord des Kunden keine Leistung zu erbringen sei.
    Oho, so plump geht es nicht, du Trampel! Ich senkte nur traurig den Blick und überreichte ihr wortlos das amtliche Totenprotokoll. Sie gab nicht auf. »Hat Ihr Gatte nie unter Depressionen gelitten? War er nicht nach dem Unfall und der langen Rekonvaleszenz entmutigt und zum Aufgeben bereit? Das ist häufiger, als man vermutet!« – »Nein, niemals, wie kommen Sie darauf?«, antwortete ich ruhig, worauf sie mich aus bö sen Augen gleichsam mit Giftpfeilen beschoss – wahrscheinlich kassierte sie im Erfolgsfall einen Bonus.
    Unwillig und nur teilweise resignierend machte sie mir klar, dass eine genaue Prüfung aller Fakten und deren Vergleich mit den vielen kleingedruckten Klauseln des Vertrages unerlässlich sei. Bei dieser Erklärung schöpfte sie selbst, wie ich bemerkte, neue Hoffnung: »Oft, sehr oft liegt dann gar kein Versicherungsfall vor. Das heißt, Ihre Ansprüche wären dann aus der Luft gegriffen.« Nur mit Mühe enthielt ich mich jeder Äußerung. »Auf jeden Fall hören Sie von uns!« Huldvoll und gnädig-herablassend nahm die Dame meine Unterlagen entgegen, gab mir im Sitzen die Hand, und nur ihr säuerlicher Blick geleitete mich zur Tür. Ich war entlassen und wartete – im Inneren bebend, jedoch

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