Leichenroulette - Roman
Hüften, schöne, männliche Hände.
Bei Prosecco, Prosciutto di Parma und Risotto con Funghi – einem Gericht, das mir Kollege Schmid als passionierter Pilzesammler und, wie er verschämt gestand, Hobbymykologe wärmstens empfahl – sowie Fegato Veneziano, alles begleitet von einem Monfernato Rosso aus den Kellereien der Villa Antinori, plauderten wir locker: über unsere Arbeit, das Bankengeschäft, die schwierige Wirtschaftslage und wie schön das Leben in Wien sei. Schön, aber doch auch teuer! Immer wieder traf mich ein bewundernder Blick, der mir trotz seiner Durchsichtigkeit schmeichelte.
Dann erwähnte der geschulte Profi die Notwendigkeit, für unser, wie er scherzend meinte, sauer verdientes Geld – er wusste zum Glück nicht, wie sauer in meinem Fall – einen sicheren Hafen zu finden: »Gerade jetzt sind die Zeiten mehr als günstig, die Fonds steigen unaufhörlich, und wir bieten, wie Sie ja selbst am besten wissen, erstklassige Finanzprodukte an.« Nach weiteren Worten über sichere, ja todsichere Anlagen mit großem Erfolgspotenzial und minimalem Risiko nahm das Gespräch wieder eine scherzhafte, belanglose Wendung. Ich formte meine Meinung, während seine Blicke, wie mir schien, unauffällig an meinem Körper auf und ab glitten: ein sympathischer, unaufdringlicher, durch und durch seriöser Mann. Auf jeden Fall war es ein angenehmer, mit leichter Erotik geschwängerter Abend!
Wir vereinbarten einen Termin für einen ernst haften »Business-Talk«. »Vielleicht in der Nähe Ihrer Bankfiliale? Ich darf Sie anrufen!« Warum soll ich mich diesem profunden Kenner der Finanzwelt nicht anvertrauen?, überlegte ich. Immerhin standen zwei Millionen Schilling – und zwar meine – zur Disposition, die anscheinend noch vermehrt werden konnten! In Gedanken überschlug ich meine Lage und stellte eine Art »Milchmädchenrechnung« auf, die ein Finanz manager sicher verachtet hätte: Also, die Reparatur der kaputten Dachrinnen würde mich Geld kosten. Dann wollte ich mir eine Wellness-Oase einbauen lassen. Der Tierschutzverein bekam auch eine größere Spende. Bei mir selber mochte ich auch nicht sparen – persönlicher Luxus musste sein. Wie viel sollte ich dem Mag. Schmid geben? Ich rechnete gewissenhaft. Und schließlich würde ich mich an die Börse wagen – dazu war Kapital nötig!
Schon lange hegte ich den sehnlichsten Wunsch, mit Aktien, Optionen, Futures und Derivaten zu spekulieren, ganz wie die smarten und reichen Finanzhaie, über die ich immer wieder las. Dass ich als kleine Bankangestellte von der großen, gefährlichen Finanzwelt, die nie bis in unsere Vorstadtfiliale vorgedrungen war, wenig, nein, eigentlich gar nichts verstand – die Weiterbildungskurse, zu denen mich mein Arbeitgeber genötigt hatte, hatten sich auf Basiswissen im Umgang mit Computern beschränkt –, störte mich nicht im Geringsten. Im Gegenteil, ich sehnte mich nach einem heimlichen Zockerleben! Heimlich deswegen, da ich meinem »Personal Manager« – im Innersten hatte ich mich schon dazu entschlossen, den größten Teil meines Vermögens in Florian Schmids sicherem Hafen anzulegen – nicht in meine Pläne einweihen wollte. Nichts fürchtete ich mehr als überhebliche Ratschläge, herablassende Warnungen und schlecht verhüllten Spott. Das zarte Zocker-Pflänzchen sollte gedeihen und nicht vernichtet werden!
Dies alles ging mir durch den Kopf, während mich Mag. Schmid zu meinem durch diverse missglückte Parkmanöver leicht verbeulten uralten Volkswagen-Käfer begleitete. Etwas verlegen stieg ich ein. Kurz überlegte ich, ob ich nicht eine Erklärung für das armselige Vehikel abgeben sollte. Doch mir fiel nicht ein, wie ich auf ungezwungene Art und ohne Prahlerei, quasi nebenbei, hätte mitteilen können, dass der zu meinem Reichtum eher passende schwarze Jaguar XJ 6 4,0 mit stolzen 310 PS zwar bestellt, aber noch nicht geliefert worden war.
Zu Hause studierte ich die Studienangebote des WIFI , des Wirtschaftsförderungsinstituts der Stadt Wien, dann inskribierte ich kühn den Lehrgang: »Futures und Optionen I«. Lächerlich verzinste Sparbücher oder mündelsichere Anleihen reizten mich nicht. Ich suchte das Abenteuer – alles oder nichts.
Wenig später kündigte ich meinen Posten mit Pensionsberechtigung bei der Commerzbank, kassierte die mir zustehende Abfindung und zog mich, wie geplant, ins Privatleben zurück. Mag. Schmid traf ich sehr häufig. Ich stellte ihm eine Vollmacht
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