Leichenroulette - Roman
jedoch gab ich mich regelrechten Genussfantasien hin. Was würde ich mir jetzt alles gönnen! Ein neues Auto und Ciao dem alten Puch, Klamotten nach dem Motto »Der Teufel trägt Prada«, Luxus-Reisen an die Traumstrände dieser Welt, tollen Schmuck, eine, zwei oder mehrere Rolex-Uhren in verschiedenem Design, Kosmetik vom Feinsten, Massagen, Gesichtspflege, Liftings groß und klein und und und. Auch der Wiener Tierschutzverein würde bedacht werden. Vor allem jedoch eines: keine widerliche Arbeit mehr!
Im Besitz von genügend Moneten stand mir ein Leben mit erfrischendem Müßiggang und reichlich Selbstverwirklichung ohne Job bevor. Zu abschreckend waren für mich jene abgehärmten Frauen, die knapp vor Geschäftsschluss durch die Supermärkte hetzten, wobei sie vor Nervosität und Überanstrengung gleichsam zitterten. Viele der Armen trugen auch noch ihr eben aus der Säuglingskrippe abgeholtes Kind auf dem Arm. Eile war geboten, denn trotz eines anstrengenden und langen Arbeitstages wartete die Familie daheim auf das Abendessen. Ich wusste, dass meine Einstellung zur weiblichen Doppel-, Dreifach-, Vierfach-Belastung im krassen Widerspruch zum herrschenden Zeitgeist stand. Utopische, verlogene Plakate junger, fröhlicher, schöner – vorzugsweise alleinerziehender – Mütter mit mehreren Sprösslingen und dem Text: »Kinder und Beruf, wir schaffen das, warum nicht?« entlockten mir nur ein müdes Lächeln. Die Sucht der modernen Welt – egal, ob arm oder reich – nach Arbeit und Karriere war meine Sache nicht. Im Gegensatz zu diesen getriebenen Geschöpfen würde ich am Morgen nicht mehr außer Haus hetzen, sondern lange, lange schlafen und mein kontemplatives Leben nach Lust und Laune kreativ gestalten.
Kapitel 13
13
Zwischen der Ankündigung und der Überweisung des Geldes – alles innerhalb Wiens – verstrichen trotz des Fortschritts der Computertechnik gute zwei Wochen, denn die Versicherung krallte sich an ihren Zaster. Jeder Bote, ob zu Fuß oder zu Pferd, gehbehindert oder altersschwach, hätte den Betrag in dieser Zeit Dutzende Male überbringen können. Dafür erhielt ich fast gleichzeitig mit dem überaus erfreulichen Kontoauszug, den ich nicht müde wurde zu betrachten, das prompte Schreiben eines Finanzberaters aus der Zentrale meiner Bank.
Sehr verehrte, liebe Kollegin!
Der tragische Tod Ihres Gatten hat uns tief bewegt. Die Commerzbank als Ihr Arbeitgeber hat mich als diplomierten Berater für Asset-Management beauftragt, Ihnen in dieser schweren Lage – sofern Sie es wünschen – mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Für eine erste unverbindliche Besprechung Ihrer finanziellen Angelegenheiten scheint der Rahmen eines Abendessens passend. Ich möchte Sie herzlich einladen und schlage das Restaurant »Roma« im 1. Bezirk vor. Welcher Tag wäre Ihnen angenehm?
Mit kollegialen Grüßen
Ihr Florian Schmid
Unverzüglich klickte ich den Namen des Herrn in der internen Personalliste meiner Bank an: Mag. Florian Schmid, Kundenbetreuer, Fachbereich Aktien und Anleihen, Privat- und Geschäftskunden.
So kam es, dass ich mich an einem Donnerstagabend in ein neues hellblaues Dior-Kostüm zwängte. Es saß etwas knapp. Mein Bauch quoll über den engen Bund, denn als Folge von Müßiggang und Wohlleben mit er lesenen Speisen hatte sich ein weiterer Speckgürtel um meine Taille gelegt. Gegen etwaige Abendkühle legte ich ein schwarzes Kaschmircape bereit. Amüsiert gedachte ich meines orangenen Alpaka-Mantels. Ich hatte ihn schon längst zu Putzlappen zerschnitten, die sich im Übrigen als sehr saugfähig erwiesen.
Vorsichtig zog ich hochglänzende und hochpreisige »Wolford«-Strümpfe der Marke »Satin Touch« an, schlang das neue Täschchen mit der markanten Prägung »Prada« über die Schulter und fand mich zur vereinbarten Stunde im »Roma« ein. In dem italienischen Lokal der gehobenen Preisklasse verkehrten biedere Bürger; es war beileibe kein In-Lokal.
»Gnädige Frau, ich freue mich sehr!« Die Begrüßung des auf die Verwaltung meines Vermögens erpichten Vertreters der Commerzbank, der mich mit Handkuss empfing, hätte nicht charmanter ausfallen können. Während wir dem Kellner zu unserem reservierten Tisch in einem holzgetäfelten Alkoven folgten, musterte ich meinen Begleiter unauffällig aus raffiniert betonten blau geschminkten Augenwinkeln: Groß und schlank, ca. vierzig Jahre, dunkle Haare, grüne Augen, teures Outfit, kein Ehering, breite Schultern, schmale
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