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Leichenroulette - Roman

Leichenroulette - Roman

Titel: Leichenroulette - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Ruhe vortäuschend – den weiteren Lauf der Dinge ab.
    In diesen nervenaufreibenden Tagen kränkte es mich umso mehr, dass mich meine beste Freundin mied. Warum nur?
    Das Rätsel löste sich, als mich Mizzi eines Tages unangemeldet besuchte. Sie vermied es, mich anzuschauen, streichelte Murli, der sie voll Freude begrüßte, druckste ein bisschen herum, um dann plötzlich herauszuplatzen: »Du, ich habe mir ein Buch in der städtischen Leihbibliothek besorgt.« – »Ja, und?«, fragte ich verwundert. »Das Jahrhundert der Detektive, von dem du geredet hast. Ich weiß alles.«
    Wir starrten einander sprachlos an. »Ich muss jetzt gehen«, wollte sie abrupt Abschied nehmen, doch ich hielt sie zurück. »Erklär mir das. Was willst du mir sagen?« – »Ganz einfach, ich glaube, dass du nachgeholfen hast. Oder war es nicht so?« – »Du bist eine dumme Gans. Wobei soll ich nachgeholfen haben?« – »Hast du den Poldi nicht ertränkt, wie der Badewannenmörder von 1915?« – »Um Gottes willen! Diese grausige Idee! Das mutest du mir zu? Soll es ein makabrer Scherz sein? Dafür ist es zu früh! Wenn du dich nicht sofort entschuldigst, sind wir geschiedene Leute. Du weißt doch, dass es ein Unfall war. Du weißt auch, dass Poldi zuletzt ein Säufer war!«
    Mizzi blickte mich an. »Ich glaub, du warst schon immer ein Luder. Das mit dem Hahn Peter, da warst du doch auch dabei!« Dann ging sie.
    Ich ärgerte mich, vermisste sie jedoch sehr, ebenso wie mir meine Freundinnen Gitta und Heidi fehlten, die sich, vermutlich aufgehetzt von Mizzi, ebenfalls von mir fernhielten.
    Endlos lange Tage verstrichen, und das Frühjahr neigte sich schon dem Ende zu, als endlich ein amtliches Schreiben mit der Nachricht eintraf, dass mir die ge setzlich vorgesehene Witwenpension nach einem prag matisierten Beamten der Dienstklasse A, Gehaltsstufe 5 zustehe. Der genannte, ab dem Stichtag des Todesfalls monatlich fällige Betrag war nicht groß, denn mein Mann hatte ja bedauerlicherweise kein hohes Alter erreicht. Aber der österreichische Staat sorgte doch für die Seinen – Pensionen und Gehälter werden in Österreich vierzehn Mal jährlich ausbezahlt, zwei Mal davon sogar fast steuerfrei –, und ich war es zufrieden.
    Wiederum verstrich geraume Zeit. Dann jedoch teilte mir auch die »Städtische Versicherung« in dürren Worten, aus denen eine gewisse Enttäuschung herausklang, mit, dass mir als Witwe des eines natürlichen Todes verstorbenen Dr. Leopold E. aufgrund der vor fünfundzwanzig Jahren abgeschlossenen Lebensversicherung die unglaubliche Summe von fast zwei Millionen Schilling, genauer 1 987 423 Schilling und 50 Groschen, zustand. Ich möge eine Kontonummer für die Überweisung des Betrages angeben.
    Ich jubelte laut auf, las mir das Schreiben mehrmals laut vor, ließ mir den Betrag inklusive Groschen auf der Zunge zergehen, legte den Brief auf den Couchtisch im Wohnzimmer und holte zwei Flaschen aus dem Keller. Einen Champagner der dem Anlass entsprechenden Marke »Veuve Clicquot« für mich, Eierlikör für Murli. Mit »Heute feiern wir« weckte ich den Kater, der wie immer am Nachmittag schlummerte, um Kräfte für seine nächtlichen Abenteuer zu sammeln. Sein Glück, nach langer Zeit völliger Abstinenz wieder das geliebte süße, in unerreichbare Sphären entschwundene alkoholische Getränk schlecken zu können, war unüberseh- und -hörbar. Ich wiederum betrachtete in Gedanken versunken die aufsteigenden Perlen der »Witwe Clicquot«, während ich an meinem schön geschliffenen Glas nippte. Poldi mit seinem Faible für die Aristokratie hatte die alten, mit Monogramm und Krone gezierten Sektkelche einst im Wiener Dorotheum erworben. Ich schenkte mir und Murli, der mich aus großen grünen Augen flehentlich ansah, ein paar Mal nach.
    Wehmütige Melancholie breitete sich in mir aus, ich fühlte einen Stich in meiner beschwipsten Brust. Eigentlich sehr nobel von Leopold, mich derart großzügig zu versorgen. Meine Gedanken an den Verblichenen grenzten fast an Nostalgie, und ich beschloss sein Grab oft zu besuchen, es mit einer teuren, lebensgroßen Steinskulptur – mir schwebte eine klassische griechische Frauengestalt in wallenden Trauergewändern vor – zu verschönern und nurmehr freundlich an ihn zu denken. Hatte ich nicht in der Schule gelernt: »De mortuis nihil nisi bene?« So würde ich es in Zukunft halten.
    Gerührt über mich und meine Selbstlosigkeit vergoss ich noch einige Tränen, dann

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