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Leichenroulette - Roman

Leichenroulette - Roman

Titel: Leichenroulette - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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auf dem Gebiet san die Männer jo wie die Tiere!« Ich suchte sogar eine bekannte Sexologin auf, die mich gegen gutes Geld in den Techniken des Geschlechtsverkehrs unterwies. Frau Dr. U. lehrte mich Atemübungen, verbunden mit der, wie sie es nannte, doppelten Beckenschaukel zur Erhöhung der Lust. Es war eine keineswegs billige Lektion, die ich als höchst ordinär und wenig hilfreich empfand. Das Gute dabei war nur, dass ich, während ich den komplizierten Anweisungen der Frau Dr. U. folgte und alle möglichen Verrenkungen durchführte, den Vorsatz fasste, regelmäßig Body-Work zur Straffung meines Körpers zu betreiben.
    Im Übrigen harrte ich neugierig, etwas ängstlich, aber doch erwartungsfroh der kommenden Dinge. Da ich auch »Sir«, dessen Betreuung mir zugefallen war, selbstverständlich nicht mit solchen Problemen belästigen konnte, fand ich in meiner Not den Weg zu Poldis Grab. Dort nahm ich auf einer Bank Platz, beobachtete die im Wind schwankenden Zypressen und sinnierte traurig vor mich hin. Menschen kamen und gingen. Sie waren meist schon alt, zittrig, oft auch verwirrt, hatten Blumen bei sich und füllten an der Wasserleitung Gießkannen. Zu meinem Erstaunen ertapp te ich mich, wie ich mangels Gesellschaft – denn Mizzi mied mich weiterhin – dem Toten ausführlich von dem sich rapide anbahnenden Abenteuer erzählte.
    Reue über das Vergangene empfand ich nicht. Doch der Gedanke keimte in mir, dass vielleicht alles anders gekommen wäre, hätte Poldi mit mir jemals ein vernünftiges Gespräch geführt. Vollkommen durcheinander, schloss ich meinen Monolog: »Und was soll ich jetzt tun?«
    Meine Verwirrung hatte ihren Grund. Drei Wochen nach unserer ersten Begegnung hatte mich »Flo« in der schummrigen »Sky Bar« hoch über der Kärntnerstraße, nach einem Bericht über erfreuliche Zuwächse in meinem Bankdepot und dem vierten Drink, plötzlich an sich gezogen und mich mit einer Leidenschaft, die mir fremd war und die auf mich fast unanständig wirkte, geküsst. Mit pochendem Herzen und starken Kopfschmerzen war ich nach Hause zurückgekehrt.
    In meiner Aufregung hatte ich sogar das allabendliche Ritual des Bürstens von Murli vergessen, der in dieser Zeit vollkommen in den Hintergrund trat. Nach barn klagten, dass er während meiner häufigen Abwesenheit auf fremden Grundstücken herumstreunte und dort, auf dem Gartenzaun balancierend und aus sicherer Entfernung, von oben herab ihre Hunde verhöhnte und bis zur Weißglut reizte – viele der Behüteten und schon sehr Betagten erregten sich derart, dass man um ihr Leben fürchtete. Darüber hinaus balgte sich mein Kater, wie ich zu hören bekam, zu später Stunde unter ohrenbetäubendem Gekreische mit anderen Katzen herum. Ich glaubte den Beschwerden, denn sein lädiertes linkes Ohr und andere kleine Verlet zungen bezeugten, dass Murli zusehends zum kampferprobten Straßenkater verwilderte.
    Es war an der Zeit, sein Leben wieder in sanftere Bahnen zu lenken und auch gleich mich selbst zu beruhigen. Dazu würde sich die in den Tageszeitungen angekündigte Tiersegnung hervorragend eignen. »Gläu bige katholische Tierhalter haben am 4. Oktober die Gelegenheit, ihren animalischen Begleiter vor dem Wiener Stephansdom segnen zu lassen«, hieß es. »Tiere sind ein Teil der Schöpfung, die uns Gott anvertraut hat«, verkündete der Dompfarrer von St. Stephan, der sich nicht nur als Hirte zweibeiniger Schäfchen verstand, sondern auch ein Herz für alle Vierbeiner bewies. »Da, lieber Murli, geh’n wir hin!«, versprach ich dem Kater. »Stell dir vor! Sie schreiben, dass auf alle Tiere ein Geschenkpackerl wartet!«
    Ich kaufte für den Transport ein hübsches, bequemes, mit flauschigem Stoff ausgeschlagenes Körbchen aus Weidengeflecht. Am Tierschutztag, dem Namenstag des hl. Franz von Assisi, machten wir uns um vier Uhr nachmittags auf den Weg zum Domplatz. Ich im dunklen Kostüm, Murli, dem festlichen Anlass entsprechend, mit roter Halsschleife. Unfreundlich lugte er durch das Gitter seines Korbes.
    Als wir an der Hofburg vorbeigingen, hielt ich eine kleine Ermahnung für angebracht: »Weißt du, Murli, dass es hier ›Dienstkatzen‹ gibt? Die verdienen ihren Unterhalt nicht so leicht wie du mit den Aktien!« Tatsächlich hielt die Burghauptmannschaft einige Katzen zur Bekämpfung der Mäuseplage in den unterirdischen Gängen des mittelalterlichen Gebäudes. Im Budget gab es einen eigenen Posten für das Futter der »Dienstkatzen«, wie ihr

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