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Leichenroulette - Roman

Leichenroulette - Roman

Titel: Leichenroulette - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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mein Mitarbeiter ein mit glitzernden Steinen verziertes Halsband, dessen Echtheit er nicht weiter hinterfragte. Er ruhte in einem mit einer Kaschmirdecke ausgeschlagenen Luxus-Körbchen. Für müßige Stunden stand eine mechanische Spielmaus bereit. Gourmetmenus vom Feinsten bewirkten, dass er sich bald über die Charts mehr wälzte als ging.
    Vor Flo hielt ich mein aufregendes Hobby, dem ich täglich viele Stunden widmete, geheim. Ich dachte da ran, ihn eines Tages mit meinen gar nicht so bescheide nen Amateurerfolgen zu überraschen. Vielleicht würden wir sogar lachend unsere Gewinne vergleichen.

Kapitel 14
    14
    Dem schönen Hochsommer folgte ein ebensolcher Frühherbst. Es war die glücklichste Zeit meines Lebens, und ich stellte mich, da sich, wie ich mir verschämt eingestand, Weiteres anzubahnen schien, mit einer gewissen lustvollen Gier auf ein romantisches Abenteuer und einen in der Diktion der modernen Zeit als »Lover« bezeichneten Mann ein. Dabei war mir etwas bang zumute. Erstaunlicherweise konnte ich die Nachwirkungen meiner konservativen, prüden Erziehung selbst im reifen Alter nicht abschütteln.
    In meiner Kindheit hatte auf jedem Bild, jedem Wort, das sich nur irgendwie auf den Liebesakt bezog, ein Bann gelegen. Man empfand es als unanständig, wenn sich ein Paar auf offener Straße küsste. Schon im zarten Alter warnten mich meine Eltern vor einem Schicksal »in der Gosse«, wie sie es bezeichneten. All dies verlieh dem Tabuthema Sexualität unwiderstehlichen Reiz. Ich erlauschte und vernahm vieles, was nicht für meine Ohren bestimmt war, und tauschte mein Wissen mit Gleichaltrigen aus. Trotzdem glaub ten wir, meine Freunde aus der Schlossergasse 14 und ich, lange an das geheimnisvolle Wirken der Störche.
    Meine und Mizzis sexuelle Aufklärung fand dann auf dem Dachboden der Schlossergasse 14 statt, wo allerlei Gerümpel lagerte, das wir neugierig in Augenschein nahmen. Neben einem hübsch bemalten, etwas wackeligen Schaukelpferd entdeckten wir eines Tages auch ein altes medizinisches Lexikon. Aufklappbare Tafeln erklärten uns, die wir natürlich unsere Eltern nie nackt gesehen hatten, anschaulich und in Farbe den Unterschied zwischen Frau und Mann. Nach diesem vielversprechenden Anfang gab es kein Halten mehr. Wir schlugen bei aufgeschnappten Stichwörtern nach, komplettierten unser Wissen und gaben es – im Austausch gegen ein Mickymaus-Heft und ein gemischtes Eis mit Vanille und Schokolade – an interessierte Freunde weiter.
    Seit jenen fernen Tagen hatte sich in unserer Gesellschaft ein vollständiger Wandel aller Werte und Tugenden vollzogen. Tabus gehörten der Vergangenheit an. Ich stellte mir daher die Frage: Wie konkret durfte, beziehungsweise konnte ich meine Sexabsichten äußern? Oder sollte ich einfach nur abwarten? Vollkommen »out« auf diesem Gebiet – meine miesen Erfahrungen mit Poldi zählten nicht in diesem Spiel –, »gab ich mir«, wie es nun hieß, voll Vorfreude Reportagen über Liebe & Männer. Lifestyle-Magazine – und nicht, wie man meinen könnte, Pornohefte – informierten mich ohne Scheu über One-Night-Stands, Quickies an Hauswänden, oralen Sex sowie Orgasmen und öffneten mir die Augen für eine neue, fremde und rohe Welt.
    Mein Gott, was gab es da alles, das mir entgangen war! Ich lernte begierig. Direkte Äußerungen, in der Art von »Willst du mit mir Sex?« sollte ich eher unterlassen, weil das unerotisch sei. Es törne nicht an – was immer man damit meinte. Besser sei es, nonverbal vorzugehen, klare, aber diskrete Signale zu senden. Nicht den Blick zum Hosenschlitz wandern lassen oder gar dorthin greifen, sondern Augenkontakt suchen. Eine für mich unnütze Ermahnung. Florians Hose zu mustern hätte mir mein Schamgefühl nicht erlaubt, alles darüber Hinausgehende auch nicht. Lächeln, wie beiläufig seinen Unterarm streifen, dies ja. Urinstinkte beachten! Der Mann fühle sich nämlich in der Rolle des Jägers wohler als in der des Gejagten – kein Problem für mich!
    Viele radikale Feministinnen widersprachen jedoch ihren gemäßigten Geschlechtsgenossinnen. Von den harten Girls erfuhr ich, dass es neuerdings sehr wohl zum guten Ton gehörte, einen Arbeitskollegen ganz beiläufig zu fragen: »Soll ich dir in der Mittagspause so zwischen eins und zwei einen blasen?« Sie plädierten für Sex zwischen den Regalen des Supermarkts: »Besorgst du es mir hinter den Teigwaren bei den Gummibärlis?« Sie empfahlen stumme

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