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Leichenroulette - Roman

Leichenroulette - Roman

Titel: Leichenroulette - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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glaub aber schon!«, ließ sich ein anderer vernehmen.
    Ich wurde starr vor Schreck und Scham. Kälte stieg in mir auf. Leise rief ich den Kellner, zahlte und schlich davon. »Na klar, der stille Urlaub in dem gottverlassenen Nest. Ich sollte nichts erfahren, niemand sollte mich sehen! Er geniert sich mit mir!« Vielleicht hatte mein intimer Finanzberater auch auf die Erholung der Märkte gehofft oder einen verzweifelten Coup gestartet. Die erste Frage, die ich mir stellte: Bin ich wirklich so hässlich?, wurde bald durch eine andere verdrängt: Wie viel ist denn um Gottes willen noch von meinem Geld übrig? Oder ist tatsächlich alles verspekuliert?
    Schock und Wut gingen tief. Wie betäubt saß ich zu Hause, stierte lange regungslos vor mich hin und wartete auf das Abklingen von Schmerz und Enttäuschung. »Nur Mittel zum Zweck, wie eine Sexsklavin, eine alte!« Die bittere Erkenntnis ließ mich weinen. »Nur du bleibst mir!« Ich streichelte das Fell von Murli, der mir meine Abwesenheit bereits gnädig verziehen h atte.
    Nachdem ich mich einigermaßen beruhigt und wie der in der Gewalt hatte, griff ich zum Telefon. »Du hast Recht, es geht nicht besonders. Aber mach dir keine Sorgen, ich hab das im Griff!«, log Flo ohne Hemmung. »Wird sich alles bald erholen! Natürlich gibt es Verluste. Deine habe ich aber sehr gering halten können!«
    Tags darauf schrieb ich meiner Bank und bat um Kontoauszüge. Wenige Tage später hielt ich Belege samt Kommentar in Händen. Vor meinen flimmernden Augen sah ich nur die Zeile: »… der negative Erfolg Ihres Eigenkapitals … Turbulenzen auf den Finanzmärkten … trotz sorgfältigem Management … unvermeidliche Verluste …« Kurz ausgedrückt bedeutete es, dass Flo achtzig Prozent meines Geldes in den Sand gesetzt hatte.
    Mein Ex-Liebhaber, der bald von meinen Recherchen erfahren hatte, ließ sich am Telefon verleugnen. »So geht es nicht, mein Lieber!«, tobte ich nach dem x-ten Anruf bei ihm und der säuselnden Auskunft seiner Sekretärin, dass sich der Herr Magister leider noch immer oder schon wieder auf einer wichtigen Dienstreise befinde. Der Vernichter meines Vermögens war für mich nicht mehr zu sprechen. Auch sein stets eingeschalteter Voice-Recorder bedauerte höflich die Abwesenheit seines Meisters, bat um Namen, Adresse und Telefonnummer für einen Rückruf, der ausblieb.
    Inzwischen hatte ich alle Hemmungen abgestreift. Mit Mordgelüsten im Herzen lauerte ich Abend für Abend vor dem Eingang von Flos edlem Zuhause. Stun denlang ging ich bei Kälte und Regen auf und ab. Ein älterer Mann hielt mich sogar für eine Prostituierte und sprach mich an. Ich harrte trotzdem aus, bis meine Geduld nach drei Tagen belohnt wurde. Endlich sah ich, wie Flo zu später Stunde unbeschwert pfeifend um die Ecke seines Wohnblocks bog. Seine Züge umspielte ein selbstsicheres, zufriedenes Lächeln.
    Grimmig und durchgefroren verstellte ich ihm den Weg: »Ich habe mit dir zu reden!« Er wollte mich unwirsch zur Seite drängen. »Nachdem du mich so gemein bei der Bank angezündet hast, gibt es nichts mehr zu reden«, suchte er mich abzuwimmeln. Er war nicht mehr sanft, lieb oder einfühlsam, sondern nur noch kalt und zynisch: »Du hast dich auf mich ge schmissen. Als Sexfrustrierte hast nichts anders gewollt.« Ich gab mich versöhnlich: »Darf ich mir wenigstens meine Kosmetika abholen?« Während ich in dem Badezimmer des Lofts unleugbare weibliche Spuren registrierte, hagelten wüste Beschimpfungen auf mich ein. »Du alter Trampel« war noch das Harmloseste. Selbst der selige Poldi hat sich nie derartig geäußert, durchzuckte es mich. Ich raffte meine persönlichen Habseligkeiten an mich.
    Ein letztes Mal ging ich durch den Wintergarten auf die Terrasse. Und dabei erledigte ich eine Kleinigkeit – ich tat ganz einfach, was ich unbedingt tun musste. Es war ein hässlicher Abschied und ein trauriges Ende. Eine ganze Woche lang litt ich fürchterlich, aß wenig und trank viel. Dann jedoch hob ich den Kopf und zog Bilanz. Mit meinen eigenen Aktien, der Pension und dem – gerade noch – aus Flos Fängen geretteten Rest meines Vermögens konnte ich gut auskommen. Doch was für eine Zeit! Und was war seit Poldis Tod alles passiert!
    Hart war das Leben und ungerecht das Schicksal, das mich friedfertigen, gutmütigen Menschen in die Rolle einer M… – mir widerstrebte es, das hässliche Wort zu verwenden – getrieben hatte. Alles sehr, sehr unangenehm, aber leider

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