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Leichenroulette - Roman

Leichenroulette - Roman

Titel: Leichenroulette - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Dosis Amantin etwa 0,1 mg pro Kilogramm seines Körpergewichts. Für eine etwa 70 kg schwere Person genügten also 7 Milligramm. Diese Substanz ist in weniger als 35 Gramm Frischpilz enthalten. Da ein Fruchtkörper oft 50 Gramm oder mehr wiegt, ist ein einzelner verspeister Pilz bereits tödlich. Um jedes Risiko zu vermeiden, richtete ich die doppelte Menge her. Kein großer Aufwand, nur ein Schwammerl mehr!
    Einen kleinen humorvollen Gag meinerseits, auf den ich sehr stolz war, stellten einige von mir zusätzlich servierte Fliegenpilze dar. Sie verursachen nämlich zwei bis vier Stunden nach der Einnahme Rauschzustände, Erregung und Halluzinationen – die Erklärung für die exzessive Lustigkeit bei Flos letztem Fest, das durch das raffinierte Fliegenpilz-Grüne-Knollenblätter-Gemisch zu einem makabren Totentanz ausartete.
    Es tat mir nur leid, dass Flo und seine Gäste nicht erfahren konnten, mit welchen historisch bedeutenden Persönlichkeiten sie ihr Schicksal teilten. So starb der römische Kaiser Claudius ebenso an einer Pilzvergiftung wie auch der Habsburger Karl VI ., der Vater von Kaiserin Maria Theresia. Beim Tod des Letzteren hatte der französische Philosoph Voltaire ausgerufen: »Ce plat de champignons a changé la destinée de l’Europe.« (Dieser Teller mit Pilzen hat das Schicksal Europas geändert.)
    Das Ende von Flo und seiner Tafelrunde erregte weit weniger Aufsehen. Sollte ich Betroffenheit über den Tod Unbeteiligter empfinden? O nein! Ich erinnerte mich, wie mich mein Liebhaber und sein Freun deskreis verleumdet und der Lächerlichkeit preisgegeben hatten. In Militärkreisen spricht man bei derartigen Fällen von Kollateralschäden, die zur Erreichung strategischer Ziele in Kauf genommen werden müssen.

Kapitel 16
    16
    Flos Tod brachte keine pekuniären Vorteile, aber unendliche Genugtuung. Danach bündelte ich meine Energiereserven und ging zur Tagesordnung über. Fleißig bearbeitete ich mit Murli den Aktienmarkt, ging in Ausstellungen, Konzerte und frequentierte wieder das Dommayer, wo inzwischen ein neuer, jedoch nicht unangenehmer Geist herrschte. Eine Zeit lang hatte es ja finster ausgesehen. Die Baustelle des an einen neuen Besitzer verkauften Kaffeehauses hatte einen düsteren, wenig verheißungsvollen Anblick geboten. Stammgäste lugten hinter die Planken, wo mit Rasanz gesägt, gehämmert und gestrichen wurde, und kamen zu dem Schluss: »Da bleibt nichts übrig!«
    Die Wiedereröffnung, zu der auch ich mich neugie rig einfand, kam schneller als erwartet. Zu unserer Ver blüffung stießen wir Stammgäste auf eine uns fremde Spezies, nämlich die Freunde der Konditorei Oberlaa. Wir beäugten einander mit unverhohlenem Miss trauen. Einer Dame aus dem »alten« Dommayer entfuhr beim Anblick der neuen roten Tapezierung der Sitzplätze ein schriller Schrei: »Wie in einem Puff!« Die Tortenesser quittierten dies, der derben Sprache wegen, mit sanftem Kopfschütteln. Schwerer wogen die Änderungen auf der Speisekarte. Das »Kleine Gulasch« war ebenso verschwunden wie das beliebte »Schnittlauchbrot«, und eine riesige Mehlspeisenvitrine thronte an der Stelle einiger Logen. Ausnehmend hübsche Serviererinnen hatten die grantig-humorvollen Ober ersetzt. Die Zeitungsständer waren nur mehr dürftig bestückt.
    Doch dann renkte sich alles auf mysteriöse Weise wieder ein. Die Zahl der vom übermäßigen Genuss der ersten Tage erschöpften Tortenschlemmer nahm ab, die typischen Kaffeehausbesucher behaupteten und engagierten sich auf ihre Weise: Sie intrigierten und intervenierten, bis die alten Kellner samt Zeitungen zurückkehrten und die Speisekarte wieder ihren Vorstellungen entsprach. Das Dommayer war gerettet. »Nachrichten von meinem Tod stark übertrieben«, meinte ein gebildeter Gast, Mark Twain zitierend.
    Der regelmäßige Kaffeehausbesuch war jedoch nicht tagesfüllend. Bald merkte ich, dass ich mich eigentlich recht langweilte. Das Vorhaben, mir einen neuen Bekanntenkreis zu schaffen, stieß auf unerwartete Schwierigkeiten, denn die meisten Menschen lernt man doch an seinem Arbeitsplatz kennen. Gern wäre ich der umschwärmte Mittelpunkt eines lustigen Freundeskreises gewesen. Dies scheiterte jedoch, niemand schätzte mich besonders. Mühsam aufgetriebene und hofierte Bekannte plauderten höflich und freund lich mit mir, wenn ich sie anrief, um mich eindringlich nach ihren Familienproblemen zu erkundigen, die mir tatsächlich vollkommen egal waren. Doch sie riefen mich nie

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