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Leichenroulette - Roman

Leichenroulette - Roman

Titel: Leichenroulette - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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unvermeidlich. Wer hätte an meiner Stelle anders gehandelt?
    Zuerst die miese Sache mit dem verrückten, widerlichen Dr. Wegner. Empfand ich als militante Katzenfreundin Mitleid mit ihm? Nein, wirklich nicht. Dann die viele Mühe, die langen Jahre mit dem schwierigen Poldi. War ganz schön anstrengend! Und vielleicht ein Grenzfall, der ohne die Aussicht auf die Lebensversicherung gar nicht so stattgefunden hätte. Allerdings konnte ich trotz gelegentlicher sentimentaler Anfälle nicht behaupten, dass ich meinen Ex-Gatten wirklich vermisste. Und nun die Geschichte mit dem hinterhältigen Flo. Flo, ach, Flo, lieber Flo! Ich bedauerte mich unendlich. Die Vorsehung hatte mir zwar Schwe res auferlegt, mir jedoch auch, wie ich zugeben musste, prickelnde Momente und Erfolg beschert: »Kein Preis ohne Fleiß!«
    Mittlerweile war es abermals Winter geworden. Weihnachten kündigte sich an. Auf Plätzen und an Straßenecken verströmten die von fröhlichen Menschen trauben umlagerten heimeligen Punschstände ihre verlockenden warmen Duftwolken. Schnee fiel in dichten Flocken, und ein eisiger Nordwind blies, als ich eines Morgens die »Nachrichten des Tages« aus dem Postkasten holte. Neben der großen Weltpolitik stach mir sofort eine kleinere Überschrift ins Auge: »Schreckliche Tragödie in der Josefstadt – menschliches Versagen.« Konnte das tatsächlich mein Fall sein? Ich wagte kaum zu hoffen, denn sicher ist in diesem Leben gar nichts. Aufgeregt blätterte ich schnell auf Seite 8, es galt Näheres zu erfahren. Tatsächlich, ich irrte nicht. Endlich! Wie ich vermutet und lange vergeblich gehofft hatte. Mein Warten hatte ein Ende. »Fünf Tote im 8. Bezirk nach Pilzvergiftung« lautete die Überschrift.
    F. S., ein erfolgreicher Banker, galt als versierter Kenner aller heimischen Pilzarten. Am Dienstag vergangener Woche feierte er seinen 39. Geburtstag. Die aus diesem Anlass versammelte Gesellschaft erregte durch lautes Lärmen und Kreischen zu später Stunde den Unmut der Nachbarn, niemand ahnte jedoch das schreckliche Ende des fröhlichen Abends voraus. Wie sich später herausstellte, hatte der passionierte Hobby-Mykologe seiner jungen Freundin sowie dreien seiner Kollegen ein selbst gekochtes Pilzgulasch serviert. Tags darauf machten sich bei Gastgeber und Gästen Anzeichen von schwerer Vergiftung bemerkbar, und sie wurden in das Allgemeine Krankenhaus eingeliefert. Für die Betroffenen kam jede Hilfe zu spät, sie starben vier Tage später. Nach dem Urteil der behandelnden Ärzte war die Todesursache der Patienten Leberversagen nach dem Genuss von Grünen Knollenblätterpilzen. Die Umstände, die zum tragischen Irrtum, der fatalen Verwechslung der Pilzsorten führten, bleiben im Dunkeln.
    »Mir nicht, mir nicht«, jubelte das Böse in mir, während ich noch einen Bissen vom Frühstück in den Mund schob und einen Schluck Kaffee dazu trank. »Endlich! Endlich! Alle tot! Ich hab schon befürchtet, dass es nicht klappt!« Dann kramte ich jenes kleine Büchlein hervor, das mir wertvolle Hilfe geleistet hatte: »In Wald und Flur. Grundkurs Pilzbestimmung.« Ich betrachtete die Widmung auf dem Deckblatt: »Von F. seiner gelehrigen Schülerin Hermine herzlich gewidmet.«
    Darin las ich: »Grüne Knollenblätterpilze (Amanita Phalloides). Sie enthalten Amantin, das eine lebertoxische Wirkung entfaltet. Der Genuss der Pilze verursacht das phalloide Syndrom, das mit einer Latenzzeit von 8 –12 Stunden auftritt. Es bewirkt Übelkeit und Brechdurchfall. Nach 24 Stunden stellt sich häufig eine Beruhigung ein, die jedoch nur bei leichter Vergiftung ein Zeichen von Genesung ist. In schweren Fällen kommt es zu Leberschäden, die meist nach vier bis sechzehn Tagen zum Tod führen.« Und so war es auch bei den fünf Unglücklichen gewesen.
    Vor meinem geistigen Auge rollte die bereits mehrere Monate zurückliegende peinliche Szene mit Flo ab. Und ich dachte daran, wie ich die zu der schreck lichen Aussprache mitgebrachten getrockneten Grünen Knollenblätterpilze bei einem letzten, sentimentalen Rundgang durch die Wohnung meines Geliebten schnell und geschickt unter Flos Trockenpilze gemischt hatte. Ich erinnerte mich auch, welchen Spaß ich bei der Vorbereitung der Aktion hatte, nämlich bei der Be rechnung der für eine Person tödlichen Menge. Ja, in Mathematik war ich in der Schule gar nicht so schlecht gewesen. Wir lernen eben fürs Leben und nicht für die Schule!
    Für einen erwachsenen Menschen beträgt die tödliche

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