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Leichensache

Leichensache

Titel: Leichensache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Horst
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hat er eine sechzehnjährige Hilfsschülerin aus der Nachbarschaft an einen Baum gefesselt, hat sie gepeitscht und gedroht, dass er sie anritzen würde, wenn sie ihn verrät. Hat er Schwein gehabt, dass er noch Heranwachsender war. Hat damals ’ne lächerliche Strafe gekriegt, aber das kennt man.«
    »Perverses kleines Schweinchen.« Müller lacht genüsslich, sucht nach Lakritzen. »Young girl bondage.«
    Sieh an, der Müller, guckt der auch Pornos.
    Anne springt vom Schrank. »Ist doch ’ne super Spur. Wollen wir uns den nicht mal krallen?«
    »Erst mal müssen wir wissen, wo er ist.« Ulla beschwichtigt. »Außerdem isses bisher nur ’ne Ähnlichkeit. Leute, die mal irgendeine Frau vergewaltigt haben und jetzt wieder frei rumlaufen, gibt es genug.«
    Ulla hat Recht, aber ganz interessant.
    »Mach doch erst mal ’ne Libivorlage mit der Wierwich, dann sehn wir weiter.«
    »Und wenn sie’n nicht erkennt. Dann ist eine Gegenüberstellung im Eimer.« Schmidt zweifelt.
    »Macht ja nichts. Wir haben ja mit großer Wahrscheinlichkeit Spermaspuren, wenn er’s dann war, kriegen wir ihn sowieso dran.«
    »Meinetwegen, du bist der Chef.« Er nörgelt, nimmt noch zwei Gummibärchen, geht.
    Telefon.
    »Mordkommission Wiesing.«
    12 Uhr 20
    »Ich geh kurz einen Happen essen.«
    Ulla nickt, wirft Blätter in ein Körbchen, trifft nicht genau. »Du hast um eins die Besprechung, vergiss es nicht.«
    »Nein, nein.«
    Im Fahrstuhl riecht es nach Zigarre. Im Fünften steigt eine junge Mutter mit Kinderwagen ein. Dreckige Fingernägel, Leggins, Bauch, Dauerwelle. Steckt sich eine Marlboro an, das Baby schaut ernst mit großen Augen. Zwei junge Uniformierte steigen im Dritten zu, noch ohne Krawatte, mit Handtäschchen, reden über Fußball. Wahrscheinlich der Frühwagen vom Spätdienst.
    Vor dem Präsidium lärmen Schüler an der Bushaltestelle. Die Jungen werfen sich in Pose, kloppen rum, die Mädchen ignorieren sie scheinbar.
    Ein Gehbehinderter in orangefarbener Uniform humpelt über den Busbahnhof, von Abfalleimer zu Abfalleimer, schüttet den Inhalt in einen Handkarren.
    In der Nähe vom U-Bahnhof soll ’ne neue Gyrosbude sein, mmmh. So was Großes muss aber nicht sein, macht immer so müde nachmittags.
    Ein paar Tauben picken Brot aus den Ritzen des Pflasters, bringen sich träge vor den Füßen der Leute in Sicherheit.
     
    Auf der Bahnhofstraße kommt eine Blonde entgegen, rotes T-Shirt, schwingende Brüste, die Brustwarzen zeichnen sich ab.
    Donnerwetter. Das muss ich noch mal sehen. Oder?
    Sie geht zu C&A, Haupteingang. Schon ganz schön weit weg. Vergiss es.
    Die Digitaluhr zeigt 12.35 Uhr.
    Vielleicht ’n Käsecroissant vom Bäcker bei Karstadt?
     
    Draußen spiegelt sich die Sonne in den Scheiben der Bank. Die gekippten Fenster malen Vierecke auf die Fassade gegenüber. Ein Alter mit Mütze spielt Ziehharmonika und singt ein russisches Lied. Traurige Augen, klarer Tenor.
    Die Käsecroissants sind fünf Cent teurer geworden, eins zehn.
    Der erste Blumenkübel ist besetzt. Zwei Punks mit schwarzem Hund liegen in den Blumen, trinken Dosenbier. Das Fell des Hundes glänzt, Herrchen gibt ihm einen Schluck aus der Dose. Der nächste Kübel ist frei.
    Das Croissant ist noch etwas warm, die Käsekruste kracht leise beim Zubeißen. Sehr aromatisch.
    Die meisten Passanten tragen Taschen und haben ernste Gesichter. Leider nur wenige Schülerinnen unterwegs heute. Die Leute sehen wirklich fast alle unglücklich aus, vor allem die, die alleine gehen.
    Die, die sich unterhalten, wirken positiver. Man sieht nur das in den anderen, was auch in einem selbst vorherrscht.
    Hat, glaub ich, Bhagwan gesagt. Geht’s mir denn so beschissen? Hier sieht doch beim besten Willen keiner glücklich aus.
    Im Haupteingang von Karstadt ist eine schwarze Mähne zu sehen, dreht sich kurz um.
    Hey, das ist Ayse.
    An den Wühltischen im Erdgeschoss ist sie nicht zu sehen, großes Gewühl. Die müsste doch auffallen mit der Größe. Vielleicht in der Parfümerie. Zwei Kollegen von der Fahndung kommen mit vollen Tüten auf Kaufhausstreife vorbei, grüßen.
    In der Parfümerie ist nur eine Blonde mit blauer Jacke. Verdammt. Auch im Lebensmittelmarkt im Keller ist nichts zu sehen. Vor jeder Kasse eine kurze Schlange. Die Leute auf den Rolltreppen stehen dicht, keine Ayse. Nicht an den Wühltischen, die blaue Jacke ist immer noch in der Parfümerie, sonst nur angeknallte Verkäuferinnen in weißen Kitteln.
    Vielleicht ist sie raus?
    Ernste Gesichter in

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