Leichensache
Spermaspuren konnten gesichert werden, weiterhin – als wichtige Spur – ein Herrenschuh in der Wohnung, der mit großer Sicherheit dem Täter gehört. Wahrscheinlich also keine Beziehungstat, ’ne ganz heiße Spur haben wir noch nicht, wir versprechen uns aber einiges von den chemischen Untersuchungen, das dauert allerdings noch ein paar Tage. Vom Täter haben wir ’ne ganz gute Beschreibung, das Phantombild habt ihr ja schon gesehen, darüber hinaus sind keine Besonderheiten aufgefallen. Ob er auch Student ist, was vom Alter her infrage kommt, kann natürlich noch nicht gesagt werden.
Das wär’s eigentlich so weit. Eine Bitte noch an dieser Stelle: Die anderen Kommissariate möchte ich um Verständnis bitten, wenn wir nicht noch ’ne Leitspur kriegen, müssen wir mindestens noch nächste Woche in dieser Stärke fahren. Ich weiß, dass euch die Leute fehlen, aber ich kann es nicht ändern. Vielen Dank.«
Gebrabbel.
»Wenn das meine Tochter wär … Solche Leute, sofort Rübe ab.« Der dicke Jahn.
»Vielen Dank, Konstantin. Hat noch einer was?« Udo blickt in die Runde.
»Okay, dann schönes Wochenende.«
Lautes Stühlerücken.
Pape öffnet den zweiten Flügel der Eingangstür.
9 Uhr 30
Bestatter Piecholke grüßt im Vorbeigehen durch die geöffnete Bürotür. Wahrscheinlich Berechtigungsscheine für die Feuerbestattungen abholen. Anne kommt rein, legt zwei Spuren ins Erledigt-Körbchen, öffnet eine Tüte Haribo Colorado, stellt sie daneben.
»Für die Allgemeinheit.«
Sie geht raus, kommt wieder mit einer Tasse Kaffee, weiß mit blauen Punkten, am oberen Rand mit einer Macke. Stroters Tasse, eindeutig. Anne schwingt sich rückwärts auf den Aktenrollschrank, zieht ein Bein hoch, legt es über das andere. Zwischen Jeans und schwarzen Socken ist ein Stück Haut zu sehen. Keine rasierten Beine, einige blonde Härchen glänzen. Das beste an Color-Rado sind die Dinger, die aussehen wie Zäpfchen und die Himbeeren.
»Das waren die letzten beiden Adressen aus dem roten Kalender, beide negativ. Die haben sie schon jahrelang nicht gesehen.« Sie nimmt einen Schluck.
Ulla hört auf zu lesen, schaut hoch.
»Ja, der rote ist der aus dem Regalschrank. Wahrscheinlich ’n altes Ding.«
»Manchmal wundert’s einen richtig, dass die das nach so langer Zeit noch wissen. Ich wüsste nicht, wann ich die Leute aus meiner Klasse das letzte Mal gesehen habe.« Die braunen Konfekte schmecken auch ganz gut.
Telefon. Ulla nimmt ab.
»Mordkommission, Wiesing.« Sie nimmt Bleistift und Papier. »Ein früherer Nachbar von Ihnen. Große Ähnlichkeit. Wohnt jetzt Bahnhofstraße 11.« Sie notiert den Rest. »Vielen Dank für Ihren Hinweis, Frau Ströhn.«
Müller kommt, legt die Fotomappe mit den Obduktionsfotos auf den Tisch, nimmt sich eine Lakritzstange.
»Ah, Color-Rado. Das beste ist das Lakritz, den Rest kannst du vergessen.«
Er wühlt in der Tüte herum, nimmt sich ein paar schwarze Lakritzstücke. Ulla haut ihm mit dem Lineal auf die Finger.
»Hast du dir heute überhaupt schon die Finger gewaschen?«
»Ich wasch mir doch nur montags die Hände, das weißt du doch.« Er legt die Hand mit den Lakritzen vor den Mund, kippt den Kopf nach hinten. Telefon.
»Mordkommission, Wiesing.« Ulla notiert.
»Weißer Ford Escort, kurz nach Mitternacht …« Sie blickt hoch, steckt sich eine Zigarette an, nimmt zwei Züge. Bedankt sich. Die weißen gehn so. Davon sind aber am meisten drin. Anne holt sich die Libimappe, nimmt ein weißes Konfekt mit, setzt sich wieder auf den Rollschrank.
»Sieht ja schon so’n bisschen aus wie die Theke beim Fleischer.« Sie blättert langsam weiter. »Diese Stiche vorne und hinten sind eigenartig.« Ulla blickt wieder auf.
»Schwer zu sagen, wie das genau abgelaufen ist. Hat der Obduzent irgendwas dazu gesagt?«
Sie sieht rüber.
»Todesursächlich war ein von vorn geführter Stich in die linke Herzkammer, sagt Schnake. Ist sehr wahrscheinlich, dass die Stiche von vorne zuerst stattgefunden haben, sicher war er sich da aber nicht. Vielleicht hat er sie im Stehen von vorne gestochen, sie ist dann gestürzt, und er hat ihr die restlichen Stiche von hinten gegeben. Ist der Bericht von denen überhaupt schon da?«
Ulla schüttelt den Kopf. »Ne. Aber vielleicht hat sie die tödlichen Stiche erst auf dem Bett gekriegt. Wenn du dir die Tatortfotos anschaust, wie viel Blut da noch auf dem Laken ist. Vielleicht ist sie gar nicht aus dem Bett raus gewesen.«
»Vermutlich doch. Auf dem
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