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Leichensache

Leichensache

Titel: Leichensache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Horst
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an, ihre Finger schieben den Kopf leicht zu sich. Labello. Ihre Zungenspitze, fest und glitschig, ganz vorsichtig. Ihr Kopf bewegt sich hin und her, sie saugt an der Oberlippe, nagt daran, ganz leicht.
    »Na, wie sieht’s aus mit dem Schlafen?«
    »Weiß nicht. Ob das das richtige Mittel war. Vielleicht schlaf ich jetzt gar nicht mehr.«
    Ihre Finger kraulen meinen Hinterkopf. Wahnsinn. Gänsehaut. Weiche Lippen, saugen, ihre Zunge massiert das Zahnfleisch. Sie richtet sich aus dem Sitz auf, ihre Haare fallen herab, riechen nach Rauch. Riecht gut. Hinten ist das T-Shirt aus der Hose gerutscht, ihr Rücken ist feucht. Ganz sacht mit den Nägeln … Sie saugt stärker, beißt in die Unterlippe, ihr T-Shirt ist ganz aus der Hose. Sie öffnet zwei Knöpfe, greift von vorn ins Hemd, tief durchatmen. Nach oben wird ihr Rücken trocken, mit dem Daumen leicht über die Rippen, ihre Achselhaare sind warm und feucht. Sie hockt sich auf ihren Sitz, die schwarzen Haare vor weißem Himmel, fallen herab wie Dschungelpflanzen. Mit der Nasenspitze sacht ihre Brüste streicheln. Der Bauchnabel ist ganz heiß, ihre Brüste fühlen sich kleiner an, als sie aussehen, harte Brustwarzen, der Warzenhof steht ein wenig vor. Sie krault hinter den Ohren, atmet schneller, stößt die Luft hörbar durch die Nase aus. Verdammt, was ist denn das für ’n Gürtel, gibt’s doch gar nicht. Dann nur den Reißverschluss. Mann, ist das hier eng, da geht ja gar nichts. Ganz vorsichtig am Gummi ihres Slips, der Reißverschluss drückt sich heftig in den Handrücken. Die Haut ist ganz weich, mit den Fingerspitzen an ihrem Schamhaar …
    Sie geht zurück, sagt was Türkisches, lacht. Schwerer Atem.
    War das zu weit, jetzt?
    »Komm, das ist unfair. Ich versteh kein Türkisch.«
    Sie kichert laut, kommt noch etwas näher, küsst zwei-, dreimal kurz, sagt was Türkisches, lacht laut, noch ein Kuss.
    Auf der Kassette beginnt der zweite Satz von Mozarts Flötenkonzert. Ausgerechnet jetzt. Wunderschön, Gänsehaut. Kommt das jetzt von der Musik?
    Sie öffnet die Tür, macht sich die Hose zu, kommt noch mal rüber, kurzer Kuss.
    »Schlaf gut« und noch was Türkisches. Sie lächelt, wirft die Tür zu, geht, dreht sich vor dem Haus um, winkt, verschwindet.
    Parkplatz direkt vor dem Haus. Super, um diese Zeit. Stille im Treppenhaus, die Schritte hallen laut. Jetzt die richtige Musik. Wo ist denn die CD von Roberta Flack? Mist, die sortier ich irgendwann mal nach Alphabet. Nr. 5, das muss jetzt sein. Licht aus, Fenster auf. Fast Vollmond. Das Licht glänzt auf den Dachziegeln.
    The first time ever saw your face …
    Ayse, Ayse, Ayse. Diese Augen, diese Stimme. Türkisch-indisch, mmmmh. Der Mond wird langsam von einer Wolke verhüllt, zeichnet von hinten ihre Konturen nach, ’ne Hand, ’ne Hand mit sechs Fingern.
    … and the moon and the stars were the gifts you gave to the dark …
    Die Haut an den Brüsten hat sich angefühlt wie frisch geschliffenes Holz, wenn der Staub noch darauf liegt.
    And the first time ever I kissed …
    Die Hand lässt den Mond langsam wieder los, ein Finger streichelt noch einmal die Unterseite, dann ist er frei.
    … I felt the earth move in my hands like a tramblin heart of a captive bird …
    Um die Rückenwirbel konnte man richtig Slalom fahren. Diese Hitze, ganz feucht war der Rücken. Die Haare auf dem Gesicht, wie schwerer Stoff. Ein Flugzeug steigt in steilem Winkel nach oben, glänzender Rumpf, verschwindet in einem Wolkenloch.
    … and I knew our joy would fill the earth …
    Das joy singt sie einfach unglaublich. Allein dafür lohnt sich die CD.
    Dieses Lachen.
    8 Uhr 42
    Alles still bei Sener. Jalousien unten, Fenster verhängt. Ayse.
    War das nur ein Test gestern Abend? Was die wohl auf Türkisch gesagt hat, sollte wirklich mal einen VHS-Kurs belegen. Verarschung? Glaub ich nicht. Vielleicht ein Spielchen? Lock die Kerle, oder so. Wer weiß, was die für’n Vaterverhältnis mit auf den Weg gekriegt hat?
    Die Stadt schläft noch. Auf dem Bürgersteig zwei Omas in Schwarz mit Handtasche und Gesangbüchern. Wie die schon gehen, diese Haltung. Holen sich wieder ihre wöchentliche Dröhnung Schuldbewusstsein ab. Gib’s uns, Pater, sag uns, wie mies und böse wir sind. Ist doch herrlich, sich mal so richtig beschissen und klein zu fühlen. Und verführt. Schließlich ist der Doppelhörnige mit Schwanz an allem schuld, der ist doch die eigentliche Sau. Also, nimm den Quast, Jesus, und pinsel uns wieder weiß. Hä, hä, aber

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