Leichensache
auch in irgendeiner Kneipe geprügelt haben.
»Ist ihr irgendwas an den Schuhen aufgefallen?«
»Ne«, er schüttelt den Kopf, tiefer Lungenzug, »und die hat ’ne super Beschreibung abgegeben. Aber da ist ihr nichts aufgefallen.« Der Qualm seiner Kippe steigt steil nach oben, macht dann Drehungen. Wie Korkenzieher.
Stroter kommt rein. »Ist hier ’ne Versammlung?« Geht in die Kabine. Kann wohl nicht pinkeln, wenn einer zuguckt.
»Pass du man auf, dass du dir nicht über die Finger pinkelst«, Altenkamp lacht. Stroter kommt raus, macht ein gelangweiltes Gesicht, steckt sich eine an.
»Heinz hat ’ne Zeugin, die am Bahnhof um zwei Uhr zwei Männer gesehen hat, einer mit Blutspritzern aufm T-Shirt.«
Stroter wiegt den Kopf. »Wer weiß, wo die sich geprügelt haben?« Sag ich doch.
Altenkamp drückt seine Kippe aus. »Kann schon sein, ist trotzdem nicht uninteressant. Zwei Männer, mit Blutspuren, eine Stunde nach der Tat. Wir haben doch zwei Spermaspuren.« Er öffnet die Arme, zieht die Schultern hoch.
Stroter zieht an der Marlboro. »Ich weiß nicht. Ich hab’s ’n paarmal für mich durchdacht, aber zwei Täter krieg ich einfach nicht auf die Reihe.« Kopfschütteln. »Die ist in der Kneipe vom Squash-Center zuletzt gesehen worden, gegen 23.20 Uhr, ist dann allein nach Hause gefahren, zehn Minuten, hat die Terrassentür aufgemacht und sich ins Bett gelegt. Dann kam er rein. Außerdem: Über 90 Prozent aller Sexualtäter mit anschließender Tötung sind Alleintäter, jedenfalls in den USA. Bei uns sieht das bestimmt nicht viel anders aus. Alleintäter, ledig, mit schwach ausgeprägten sozialen Bindungen.«
»Hast du wieder in deinem Der kleine Profiler geblättert?« Altenkamp feixt.
»Mach dich nur lustig. Ich finde es lächerlich, dass das hier bei uns so schlapp gehandhabt wird. Die haben da tierische Erfolge, gerade in solchen Fällen wie diesem.«
»Und, hast du noch weitergeblättert.« Er hat Recht.
»Ja, ein wenig. Also, nach deren Wahrscheinlichkeitsstudien ist eben ein Einzeltäter fast sicher. Er ist zu 88 Prozent zwischen achtzehn und achtundvierzig Jahre alt und eher allein stehend. Meistens geht er einem geregelten Beruf nach. Aber das sind jetzt so allgemeine Klamotten, die ich mal gestern so nachgelesen habe. Wenn man es genau machen wollte, müsste man gezielt mit den Daten aus diesem Fall arbeiten. Ich finde das super.« Altenkamp sagt nichts, legt die Stirn in Falten.
»Könnte sein, aber die letzte Stunde, seit sie das Squash-Center verlassen hat, ist eben offen. Die kann auch einen mitgenommen haben. Oder einer hat sie gesehen und ist hinterhergegangen oder -gefahren.« Altenkamp spielt mit dem Handtuchhalter.
»Die kann überall noch einen getroffen haben zwischen Squash-Club und Wohnung, da kann unheimlich viel passiert sein. Die kann auch einen in die Wohnung mitgenommen haben, und der hat hinterher seinen Kumpel reingelassen.« Er will zwei Täter.
Oder die haben sich die schon im Squash-Club ausgesucht. Hinterherfahren, reingehen …
»Haben wir eigentlich schon alle Gäste vom Squash-Center überprüft?«
Stroter zuckt mit den Achseln. »Gerster macht das, glaub ich. Wenn da was Besonderes gewesen wär, hätte der das schon gesagt.«
Squash-Kneipe, viele Courts drumherum, Mädchen, Schweiß, nasse T-Shirts, glänzende nackte Unterarme, sich schwach abzeichnender Flaum, außer Atem, einer am Tresen, kein Gesicht, Bier, Zigarette …
»Kann schon sein, dass sich da einer ein Opfer ausguckt. Du hast doch freie Sicht auf alles.« Alle Gäste kriegen wir da bestimmt nicht mehr zusammen.
»Die Anzahl der Sexualmörder, die ihre Tat sehr lange vorbereiten, ist gar nicht so groß. Bei vielen trifft auf eine ständig vorhandene Bereitschaft ein zufälliger Impuls …«
»… Mädels beim Squash …«
»… zum Beispiel. Letzten Herbst war doch mal ’n ähnlicher Fall im Sauerland, da in der Nähe von Siegen …«
Stroter löscht die Kippe unterm Wasserhahn.
»Die Sache ist aber geklärt. Außerdem war das ein Saunatäter«, Altenkamp kichert hämisch, »hat halt nicht die Katze im Sack kaufen wollen.« Wieder Kichern.
Stroter lächelt still. »Na ja.«
Die beiden gehen raus.
SONNTAG
0 Uhr 51
Links überholt eine Straßenbahn, bleibt fast auf gleicher Höhe. Sind nur ein paar Discotypen drin, ein Blonder mit Igelschnitt und Ohrring sitzt mit leerem Gesicht am Fenster, sieht nach draußen. Im letzten Wagen steht ein alter Mann, grauer Mantel, die Hand in der
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