Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leichensee

Leichensee

Titel: Leichensee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mennigen
Vom Netzwerk:
war zu alt dafür geworden.«
    Decker reagierte skeptisch auf Cottons Theorie. »Und jetzt, nachdem seine Leichen entdeckt wurden, ernennt er einen Erben, der sein Werk fortführt? Das klingt mir ein bisschen zu sehr an den Haaren herbeigezogen.«
    »Dann liefern Sie mir eine bessere Erklärung. Bis dahin bleibe ich bei meiner.«

11
    Wie befürchtet trafen immer mehr Leute auf ihrem Heimweg von der Kirche am Tatort ein. Bestürzt bildeten sie einen Kreis um Amys Leiche, die Gesichter bleich vor Entsetzen. Decker bat Cotton, den Sheriff zur Unterstützung zu holen, während sie den Tatort sicherte.
    Er fand den Gesuchten vor der Kirche, wo er sich mit den beiden jungen Deputys unterhielt, die bei den Ausgrabungen der Leichen am Strand dabei gewesen waren. Cotton schilderte den Polizisten knapp und sachlich, was passiert war. In deren Gesichtern spiegelte sich Fassungslosigkeit.
    »Solange die Verkehrsverbindungen unterbrochen sind, können wir keine Hilfe vom Festland oder aus Edgartown anfordern«, sagte Cotton auf dem Weg zum Coffeeshop. »Sorgen Sie dafür, dass sich die Leute vom Tatort fernhalten, Sheriff.«
    »Ja, natürlich«, murmelte der mit brüchiger Stimme. »Was können wir sonst noch tun?«
    »Ein Gerichtsmediziner muss Amys Leiche untersuchen und Spuren sichern.«
    »So jemanden haben wir hier nicht.«
    »Doch. Ich werde Mister Carnahan bitten, uns behilflich zu sein.«
    »Carnahan? Meinen Sie etwa den komischen Kauz, der vor ein paar Jahren das einsame Strandhaus gekauft hat?«
    »Genau den. Er arbeitete früher als Forensiker beim Boston Police Department. Zwar ist er schon länger in Pension, aber wir brauchen schließlich keine vollständige Autopsie. Er soll nur dafür sorgen, dass bei der Leiche und am Tatort keine wichtigen Spuren zerstört werden. Dafür genügt eine oberflächliche fachmännische Untersuchung. Lassen Sie die Tote danach an einen kühlen und sicheren Ort bringen. Sobald es die Umstände erlauben, überführen wir die Leiche ins forensische Labor des FBI nach New York.«
    »Ich kümmere mich um alles.« Fahrig strich der Sheriff sich mit der Hand durchs Gesicht. »Arme Amy. Ich kannte sie von klein auf. Wenn ich den Schuft in die Finger bekomme, der ihr das angetan hat, dann gnade ihm Gott.«
    Cotton verkniff sich die Bemerkung, dass Amy womöglich noch leben würde, hätte der Sheriff vorgestern Dodson in Gewahrsam genommen.
    »Da wäre noch etwas, Sheriff. Amy wurde genauso getötet wie die Frauen, deren Leichen am Strand vergraben waren.«
    »Aber das ist doch …« Dem Sheriff blieben vor Schreck die Worte im Halse stecken.
    »Das wiederum bedeutet, dass sich der Serienmörder tatsächlich auf dieser Insel befindet«, fuhr Cotton fort. »Wohlgemerkt nicht auf Martha’s Vineyard, sondern hier auf Chappaquiddick. Und zwar jetzt, in diesem Moment. Oder anders ausgedrückt: Jede Frau auf dieser Insel schwebt in höchster Gefahr.«
    »Glauben Sie denn, der Mörder schlägt bald erneut zu?«
    »Das steht zu befürchten«, antwortete Cotton. »Möglicherweise auch deshalb, weil die Insel gerade von der Außenwelt isoliert ist.«
    »Und Sie sind sich ganz sicher, dass es sich dabei um denselben Mörder handelt, der die Toten am Strand verscharrt hat?«
    »Nein. Sicher weiß ich nur, dass der Täter auf dieselbe Weise mordet.«
    »Haben Sie Amy als Letzter gesehen?«
    »Nein, der Mörder hat sie als Letzter gesehen. Aus irgendeinem Grund hat Amy die Versammlung in der Kirche vorzeitig verlassen. Möglicherweise aus Angst vor Dodson, der sie keinen Moment aus den Augen gelassen hatte. Er verschwand etwa zur selben Zeit wie sie nach draußen.«
    Am Tatort mussten sich Cotton und die drei Polizisten einen Weg durch den Kreis der Schaulustigen bahnen. Vor dem grausam zugerichteten Mordopfer hielten sie inne.
    Es dauerte, bis der Sheriff sich wieder so weit im Griff hatte, dass er sprechen konnte. »Können Sie mir eine Frage beantworten, Agent Cotton? Wieso tötet jemand auf so bestialische Weise?«
    »Vermutlich, weil es eine der wenigen Tötungsarten mit einem Messer ist, bei der keine Arterie des Opfers durchtrennt wird, sodass man sich als Täter nicht mit Blut besudelt. Außerdem tritt der Tod auf der Stelle ein, sodass das Opfer nicht mal schreien kann.«
    »Hat …« Die Stimme drohte dem Sheriff zu versagen. »Hat sie sich gewehrt?«
    »Dafür gibt es keine Hinweise. Was darauf schließen lässt, dass sie ihren Mörder kannte. Sie lief nicht weg, sie wehrte sich nicht, sondern

Weitere Kostenlose Bücher