Leichensee
stand ruhig da.«
»Glauben Sie wirklich, es war Dodson?«
»Er hat Amy erst kürzlich bedroht. Das macht ihn zwar nicht automatisch zum Mörder, aber zum Hauptverdächtigen.«
Der Sheriff nickte zutiefst erschüttert.
»Sind Amys Eltern hier?«, erkundigte sich Cotton mit Blick auf die Schaulustigen.
»Nein, sie sind nicht zur Versammlung gekommen. Ich werde sie morgen früh aufsuchen und ihnen die traurige Nachricht überbringen.«
Dann wandte der Sheriff sich an die Umherstehenden. Er bat die Leute, nach Hause zu gehen. Tatsächlich zerstreute sich die Menge.
In der Zwischenzeit hatte einer der Deputys eine Digitalkamera vom Revier geholt. Damit machte er aus allen Blickwinkeln Fotos vom Tatort.
Decker nutzte die Zeit und ging zum Parkplatz vor der Kirche. Wie erhofft wartete Carnahan dort in seinem Auto.
Als er die Agentin bemerkte, stieg er aus. »Du meine Güte, wo waren Sie denn? Ich habe mir schon Sorgen gemacht.«
Decker schilderte, was passiert war und weshalb man seine Hilfe bei dem Mordfall benötigte. »Sie wissen mehr über den Mörder als sonst jemand. Hätten Sie Interesse, vorübergehend wieder in den Dienst beim FBI einzutreten?«
»Gern. Mir läge allerdings viel daran, wenn mein Name in der Öffentlichkeit nicht in Zusammenhang mit dieser Ermittlung gebracht würde. Ich habe noch nie gerne im Rampenlicht gestanden. Und wenn die Verkehrsanbindungen zum Festland wieder funktionieren, was meinen Sie, wie es hier vor Reportern wimmeln wird.«
Gemeinsam kehrten sie zum Tatort zurück. Im Gesicht des pensionierten Gerichtsmediziners spiegelte sich Trauer, als er die junge Frau in ihrem Blut liegen sah.
»Ich werde mich mit der Untersuchung beeilen«, sagte er leise. »Dafür benötige ich allerdings mehr als nur ein Paar Latexhandschuhe und Plastikbeutel für die Beweisstücke. Ich brauche Instrumente, die ich bei mir zu Hause holen muss.«
»Ich kann Sie schnell hinfahren«, bot einer der Deputys an. »Unser Streifenwagen steht gleich um die Ecke.«
»Danke. Beeilen wir uns, damit das arme Kind an einen würdigeren Ort gebracht werden kann.«
Während Carnahan dem Deputy folgte, trat Decker neben Cotton.
»Ich weiß zwar nicht, wie nahe Sie der Toten standen«, sagte sie, »aber ich sehe, wie nahe Ihnen der Fall geht.«
Er nickte. »Ich habe Amy wirklich gemocht, obwohl ich sie erst kurz kannte. Sie war fröhlich und voller Lebenslust. Sie hat mir sogar die Zukunft aus der Hand gelesen. Und wissen Sie was? Sie hatte recht mit ihrer Weissagung. Mit mir hat tatsächlich der Tod Einzug auf der Insel gehalten.«
*
Kurz nach Mitternacht hatte Carnahan seine Arbeit beendet. Amys Leiche wurde vom örtlichen Bestatter abgeholt, der sie bis zum Transport nach New York in seiner Leichenhalle aufbewahren würde.
Sheriff Pearce stand vor dem Coffeeshop und schaute gedankenverloren zu einem der Fenster im ersten Stockwerk, wo Amy gewohnt hatte. Als er den Kopf zur Seite drehte, sah er Cotton neben sich stehen.
Pearce räusperte sich, bevor er fragte: »Wie geht es jetzt weiter?«
»Ich kümmere mich um Dodson. Sorgen Sie dafür, dass Amys Leiche so bald wie möglich zum FBI kommt. Ich melde mich bei Ihnen, wenn es etwas Neues zu berichten gibt.«
»Hören Sie, Cotton«, druckste der Sheriff herum. »Ich bin dankbar für Ihre Hilfe. Meine Leute und ich bringen nicht die Erfahrung mit, einen Mord aufzuklären. In den vergangenen Tagen habe ich mich Ihnen und Ihrer Kollegin gegenüber wie ein Schwachkopf verhalten. Dafür möchte ich mich entschuldigen.«
»Schon gut, Sheriff. Kümmern Sie sich lieber um die Bewohner von Chappaquiddick. Die Mordgeschichte wird die Leute beunruhigen, was ihre eigene Sicherheit betrifft.«
»Man wird mich fragen, ob und wann der Täter wieder zuschlagen könnte. Was meinen Sie?«
»Ich weiß es nicht. Das macht die Situation für die Leute hier nicht einfacher, aber die Angst wird sie vorsichtig machen. Niemand wird mehr nach Einbruch der Dunkelheit allein auf die Straße gehen. Jeder wird darauf achten, dass seine Türen und Fenster verriegelt sind.«
»Das ist ein Albtraum. Sehen Sie zu, dass Sie ihn beenden, indem Sie Dodson möglichst schnell schnappen.«
»Selbst wenn wir ihn fassen, bedeutet das keine Entwarnung. Solange wir kein Geständnis von ihm haben, wissen wir nicht, ob er tatsächlich der Mörder ist. Die Wahrscheinlichkeit ist zwar relativ groß, aber nicht groß genug, um zu einhundert Prozent sicher zu sein.«
*
Cotton fuhr mit Decker und
Weitere Kostenlose Bücher