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Leichensee

Leichensee

Titel: Leichensee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mennigen
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an. Falls sie ihn bemerkt hatte, zeigte sie es nicht.
    Cotton flüsterte Decker ins Ohr: »Da drüben ist dieser Dodson.« Er deutete unauffällig mit dem Kinn in dessen Richtung. »So weit zu Sheriff Pearce und unserem Ersuchen um die Festnahme eines Verdächtigen.«
    »Wir könnten ihn jetzt verhaften und dem Sheriff überstellen«, schlug Decker vor.
    »Okay«, erwiderte Cotton. »Allerdings könnte er uns in der Menschenmenge leicht entkommen. Warten wir, bis alle die Kirche verlassen. Beim Rausgehen schnappen wir ihn uns.«
    In diesem Moment kam Bewegung in die Menge. Alle Köpfe drehten sich zum Altar. Dort erschienen neben dem Pfarrer mehrere Mitglieder des Stadtrates, unter ihnen Sheriff Pearce. Ihren Gesichtern war die Anspannung anzusehen. Ein untersetzter Mann um die sechzig trat vor und richtete sich zur vollen Größe auf, wobei er den Blick über die Anwesenden schweifen ließ, als wolle er sich der allgemeinen Aufmerksamkeit vergewissern.
    »Das ist der Bürgermeister«, ließ Carnahan die FBI-Agents wissen.
    »Ich habe Sie hergebeten, um Ihnen zu versichern, dass wir alle Probleme im Griff haben«, begann der Mann seine Ansprache. Im weiteren Verlauf versuchte er, die Ängste der Leute zu zerstreuen, indem er beteuerte, dass sich das Leben auf Chappaquiddick in wenigen Tagen wieder normalisiert hätte, der Fährverkehr spätestens übermorgen wieder den Betrieb aufnehmen würde und die Brücke nach Martha’s Vineyard bald wieder passierbar sei.
    Nachdem er seine Rede beendet hatte, prasselten die Fragen der Anwesenden auf ihn ein. Besonders interessierte es die Leute, ob unter ihnen ein Serienmörder lebte.
    »Ist auf der Insel überhaupt noch eine Frau ihres Lebens sicher?«, fasste ein Mann die Befürchtungen zusammen.
    In dem Moment trat der Küster zur Sakristei herein. Das Quietschen der geöffneten Tür wurde vom Aufheulen des Windes begleitet. Weil auf der gegenüberliegenden Seite des Kirchenschiffs das Hauptportal immer noch offen war, entstand ein stürmischer Durchzug, der sämtliche Kerzen schlagartig löschte. Von einem Moment zum anderen versank der Innenraum des Gotteshauses in Lichtlosigkeit und Chaos. Erschrocken stolperten die Kirchenbesucher umher. Alles drängte und rief durcheinander. Immer mehr Taschenlampen flammten auf. Mit dem Licht beruhigte sich die Situation allmählich. Während der Küster die Tür zur Sakristei zuschob, schlossen zwei Männer das Eingangsportal. Andere entzündeten die Kerzen mit ihren Feuerzeugen.
    In dem Durcheinander war Cotton ein Stück weit von Decker abgedrängt worden. Carnahan hatte er ganz aus den Augen verloren. Und noch jemanden konnte er nicht entdecken.
    »Wo ist Amy?« Besorgt ließ er den Blick schweifen.
    »Dieser Dodson ist auch weg«, stellte Decker fest.
    »Kommen Sie.« Cotton wandte sich zum Gehen. »Wir müssen Amy suchen. Hier drin ist sie nicht, folglich muss sie die Kirche verlassen haben.«
    »Warum sollte sie das getan haben?«
    »Das können wir sie fragen, wenn wir sie gefunden haben.« Cotton bahnte sich einen Weg zum Hauptportal.
    »Warten Sie.« Decker hatte Probleme, ihm durch das Gewühle zu folgen. »Wir sollten vorher Spencer Bescheid sagen, wo wir sind.«
    »Es dauert zu lange, bis wir ihn in dem Durcheinander gefunden haben. Er wird hoffentlich so klug sein und nachher bei seinem Auto auf uns warten.«
    Sie verließen die Kirche und blieben auf dem Vorplatz in der Dunkelheit stehen.
    »Amy!«, rief Cotton in die Finsternis. »Ich bin’s, Jeremiah. Kommen Sie zurück.«
    Keine Antwort.
    Decker suchte nach Spuren der Kellnerin. Doch dafür war der Schnee von zu vielen Füßen aufgewühlt worden. »Sehen Sie irgendwas?« Decker ließ den Blick über die geparkten Autos schweifen.
    »Nein. Und je länger wir hier herumstehen, desto größer ist die Gefahr, dass sie von Dodson eingeholt wird. Am besten, wir suchen sie getrennt.«
    »Und wo sollen wir suchen?«
    »In ihrer Wohnung über dem Coffeeshop. Von hier aus führen mehrere Straßen dorthin.« Cottons Ortskenntnisse, die er während seiner Befragung der Geschäftsleute gewonnen hatte, machten sich nun bezahlt. »Ich schlage vor, Sie nehmen die linke Straße, ich die rechte. Wir treffen uns beim Coffeeshop.«
    Cotton hetzte los. Die ausgefallene Straßenbeleuchtung machte die Suche nicht einfacher. Nach etwa fünfzig Yards stoppte er an der Einmündung zu einer schmalen Seitenstraße. Die Schneedecke war fast noch jungfräulich – abgesehen von den Fußabdrücken

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