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Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)

Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)

Titel: Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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seelenruhig saßen sie mitten im Supermarkt auf dem Boden. Dass in den Einkaufswagen neben ihnen zwei Leichen lagen, war nicht wichtig, sie blendeten es einfach aus. Auch Baroni entspannte sich. Die Ruhe, die Max ausstrahlte, beruhigte ihn. Bald würden sie das Problem gelöst haben. Bald. Aber davor war noch roher Lachs in ihren Mündern, Rohschinken auf ihren Zungen. Und Wein in ihren Hälsen.
    Sie waren betrunken. Sehr betrunken. Deshalb war sich Max auch so sicher, dass es richtig war, was sie taten, dass es das Einzige war, was sie tun konnten. Er war sich hundertprozentig sicher in diesem Moment. Dass die Idee genial war, die Leichen in der Öffentlichkeit abzulegen. Max war überzeugt davon.
    Wie sie die nackten Leiber durch den Markt schoben, wie sie den richtigen Platz suchten.
    Wie sie ihre Runden drehten. Wie sie immer schneller wurden und wie sie zu lachen begannen. Nebeneinander um die Wette wie Kinder. Mann gegen Frau. Leiche gegen Leiche. Baroni gegen Max. Da war keine Scham. Kein schlechtes Gewissen. Alles, was passierte, war so unfassbar. Sie wollten etwas dagegen tun, etwas, das es leichter machte, das ihnen half, den Anblick der Toten zu ertragen. Was sie taten, war richtig. Immer wieder verwarfen sie Gedanken, die etwas anderes sagten. Sie mussten dafür sorgen, dass die Leichen gefunden würden. Sie mussten laufen. Die Wagen vor sich herschieben. Davonlaufen vor der Hölle, die sich aufgetan hatte. Einfach weiterschieben, weiterlaufen. Über Raviolidosen springen. Sie mussten es tun.
    Laut und ausgelassen steuerte Max auf die Gemüseabteilung zu. Baroni war hinter ihm. Er konnte sich kaum noch halten vor Lachen. Eine Hand am Steuer, in der anderen der Rotwein. Wie sie brüllten vor Lachen, wie Wein über Baronis Kinn tropfte. Wie der Wagen von Max zum Stillstand kam. Wie die Tomaten fielen. Wie sie dalagen.
    Die Tomaten. Die zwei Toten.
    Wie sie sich krümmten vor Lachen.
    Baroni und Max.

Sieben
    Das Video wurde mit einem Mobiltelefon gemacht.
    Max und Baroni sitzen ohne Worte im Friedhofswärterhaus und starren auf den Bildschirm. Nach dem Aufwachen war es einfach da, es begann immer wieder von vorn, es war auf allen Sendern zu sehen, vor ihren Augen die Bilder aus dem Supermarkt, die Bilder von zwei Leichen im Kühlregal, zwischen den Milchprodukten, mit Marillen dekoriert, Schnittlauch auf ihren Köpfen, Ketchup auf den Brustwarzen.
    Sie schwiegen. Baroni und Max nebeneinander auf der Couch, Tassen in ihren Händen, Kaffee in ihren Mündern, Scham überall. Kein Wort zwischen ihnen, nur das Unfassbare, für das sie verantwortlich waren, der Horror, den sie inszeniert hatten. Sie waren dafür verantwortlich. Sie hatten die Marillen in die Münder der Toten gesteckt, sie hatten sie dorthin gebracht. Max wünscht sich, es ungeschehen zu machen, sofort, auf der Stelle, er will, dass es nicht passiert ist, dass sie nichts damit zu tun haben. Er starrt die Bilder an, er hört die Reporter reden, er wünscht sich zu versinken, im Boden für immer.
    Was haben wir da nur getan, sagt er.
    Ich weiß es nicht, sagt Baroni.
    Er hatte den Fernseher eingeschaltet, seine Augen waren zuerst aufgegangen, seine Erinnerung kam zuerst zurück. Er schüttelte Max, machte ihn wach, er wollte nicht allein sein mit dem, was sie getan hatten.
    Es war fast Mittag, als er aufwachte, und es war ihm sofort klar, bevor die Bilder über den Fernsehschirm flatterten, dass die Leichen bereits gefunden waren, dass das große Mediendrama bereits begonnen hatte. Sie wollten, dass es Zeugen gab, dass man darüber berichtete, sie wollten, dass jeder im Land darüber Bescheid wusste, jeder. Auch die, die ihnen die Pakete geschickt hatten. Sie sollten wissen, dass die Spielregeln jetzt andere waren, dass Max und Baroni keine Angst vor ihnen hatten, im Gegenteil. Der Fußballer und der Totengräber waren in einen Supermarkt eingebrochen, hatten dort randaliert und zwei Leichen abgeladen, sie hatten riskiert, gesehen und verhaftet zu werden, sie wollten zeigen, dass mit ihnen nicht zu spaßen war.
    Sie waren sich einig gewesen. Max hatte Baronis Angst vom Tisch gewischt, er hatte ihm Mut gemacht, ihn angespornt, ihn angetrieben.
    Die Autofahrt zum Supermarkt. Betrunken am Steuer. Wie sie die Körper aus dem Auto hoben. Wie sie sie in die Einkaufswagen setzten. Wie sie begannen, die Kontrolle zu verlieren. Wie eine Dummheit die nächste ergab. Wie sie vor dem Kühlregal standen und lachten. Wie sie sich jetzt dafür schämen. Baroni

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