Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)
mitten im Wald, ganz in ihrer Nähe. Max springt zurück, zuerst glaubt er, es ist Anton, doch der rührt sich nicht. Trotzdem ist da dieses Geräusch. Ein Tier unter dem Wagen vielleicht, ein Fuchs, ein Dachs, Max geht auf die Knie. Doch da ist nichts. Nur das leise Kratzen, dieses Klopfen, das irgendwo aus dem Auto kommt. Vorsichtig gehen sie um den Wagen herum, sie hören hin, sie versuchen etwas auszumachen, herauszufinden, woher dieses Geräusch kommt. Max öffnet die Ladeklappen, doch die Ladefläche ist leer. Da ist nichts. Nichts, das sie sehen können, nur dieses Klopfen und dann auch ein Murmeln, das sich in das Kratzen und Schaben mischt, das von Sekunde zu Sekunde lauter wird. Murmeln, ein Hämmern, Schreie.
Baroni und Max stehen wortlos vor dem Kleinbus. Der Bus ist leer, im Fahrerraum nur der tote Türke, im Laderaum nur eine Kiste Bier. Trotzdem hören sie eine Stimme aus dem Inneren des Wagens. Plötzlich laut und deutlich. Wie ein Mann um Hilfe schreit.
Elf
Drei Männer nebeneinander auf der Ladefläche.
Sie rühren sich nicht. Aneinandergeschmiegt, zugedeckt mit karierten Vorhängen schnarchen sie. Den Lärm der Autobahn hören sie nicht, wie die Sonne aufgeht sehen sie nicht. Max, Baroni und der Mann aus dem Kleinbus. Sein Name ist Vadim. Er kommt aus Moldawien, er war zweiundfünfzig Stunden lang in einem engen Versteck eingepfercht, ohne Licht, verborgen in einem österreichischen Kleinbus, illegal eingereist, hungrig und müde ins Land geschleppt von Anton.
Max und Baroni haben das Auto nach Verstecken durchsucht, nach Mechanismen, die sie den Hilferufen näher bringen würden. Über zehn Minuten lang brauchten sie, um den Fahrersitz abzumontieren, die Klappe und den Zugang zu ihm zu finden. Zu Vadim aus Moldawien, einem schlanken jungen Mann, der mit gebückten Schultern verängstigt thank you sagte, als sie den Deckel zu seinem Versteck hoben.
Vadim. Wie Max und Baroni ihn drängten, die Böschung nach oben zu klettern und in den Pritschenwagen zu steigen. Niemand war vorbeigekommen, keiner hatte sie gesehen, der schreckliche Unfall blieb im Verborgenen, zehn Meter unterhalb der Straße lag ein toter Mann in einem Kleinbus.
Sie schoben Vadim vor sich her, schnell, ohne mit ihm zu reden, ohne auf seine Antworten zu warten stiegen sie in Max’ Dienstwagen und rollten unauffällig den Hügel hinunter.
Er hatte einfach einen Unfall, sagte Max.
Was passiert hier, fragte Baroni.
Vadim wiederholte immer wieder, dass er Moldawier ist, dass er hier arbeiten wird, dass Anton ihm ein better life versprochen hat. In seinem Gesicht war Angst.
Drei Männer nebeneinander über die Autobahn. Nur langsam fasste Vadim Vertrauen, nur langsam erfuhren sie, wie er in den Kleinbus gekommen war, wo er herkam, dass er illegal nach Österreich gekommen war. Illegal und mit Antons Hilfe. Sein Englisch war schlecht, Max und Baroni mussten viele seiner Sätze selbst zu Ende denken, während er sich mit Händen und Füßen erklärte, stand ihnen der Mund offen. Während sie sich immer weiter vom Unfallort entfernten, formte sich ein erstes unglaubliches Bild von dem, was passiert war, von dem, was mittlerweile bereits vier Menschen das Leben gekostet hatte. Was Max in Antons Wagen gefunden hatte und was Vadim erzählte, fügte sich nahtlos ineinander. Und wenn auch noch hunderte Fragen unbeantwortet blieben, sie hatten jetzt eine Spur, der sie nachgehen mussten. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, sie mussten weiter, sie mussten herausfinden, was hier vor sich ging, sie mussten den Wahnsinn stoppen. Irgendwie. Schnell.
Max parkte. Eine Autobahnraststätte, Vadim verschwand auf der Toilette, er wollte sich waschen, sagte er. Dass er bei dem Unfall unverletzt geblieben war, grenzte an ein Wunder, da war kaum ein blauer Fleck, nur der Schock über den Aufprall in seinen Augen, über die fremden Gesichter, die da plötzlich waren, sein Schlepper war tot, das Fahrzeug, das ihn in die heile Welt gebracht hatte, lag im Straßengraben. Was weiter mit ihm passieren würde, war ungewiss.
Max und Baroni setzten sich an die Bar. Während Max bestellte, telefonierte Baroni mit Sarah. Er sagte ihr nichts, er wollte sie nur beruhigen, er wollte, dass sie in Sicherheit war, er bat sie, Wien zu verlassen, zu ihm ins Dorf zu kommen, damit sie reden können. Seine Stimme war ruhig und freundlich, er bemühte sich zu verbergen, dass er vor einer halben Stunde schon wieder eine Leiche gesehen hatte, dass ihr Freund tot vor ihm
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